„Rechte Polarisierung“

■ Bremer Historiker Geis distanziert sich teilweise vom „Berliner Appell“

Berlin (taz) – Nach der Schriftstellerin Sarah Kirsch und der Regisseurin Freya Klier hat sich jetzt auch der Bremer Historiker Immanuel Geis vom Rechtsaußen-Aufruf „Berliner Appell“ distanziert. Der taz meldete Geis gut drei Wochen nach Erscheinen des Aufrufs gestern aufgeregt, daß er den Appell niemals unterzeichnet habe. Der Aufruf, der von einer „Hexenjagd“ der Linken „auf Konservative und demokratische Rechte“ spricht und sich gegen eine „antifaschistisch-demokratische Ordnung“ sowie „die Wiederkehr des Sozialismus“ wendet, war Ende September in mehreren Tageszeitungen (auch in der taz) als Anzeige veröffentlicht worden.

Unterzeichnet hatte den Appell ein breites Spektrum von mehr als hundert Journalisten und Intellektuellen, das vom Bündnis-90- Mann Wolfgang Templin bis zum bräunlichen Ullstein-Verleger Herbert Fleissner reicht. Hauptträger des Appells ist die Gruppe der Vergangenheitsrelativierer um Ernst Nolte, Rainer Zitelmann und Karlheinz Weißmann.

Während Immanuel Geis behauptet, bis vor einer Woche nichts von seiner Unterschrift unter dem Aufruf gewußt zu haben, sehen das die Initiatoren ganz anders: Der Welt am Sonntag-Redakteur Heimo Schwilk sagte der taz gestern, es bestehe kein Zweifel daran, daß der Historiker aus Bremen unterzeichnet habe. „Manche haben nach den negativen Pressereaktionen kalte Füße gekriegt. Das ist ein menschliches Problem.“

Tatsächlich liegt Immanuel Geis mit manchen seiner Äußerungen gar nicht so weit vom Appell entfernt. Denn gegenüber der taz sprach Geis gestern vom „Bürgerkrieg, den die Linke seit dem Historikerstreit erklärt hat“ und von „Verleumdungskampagnen“ von links. Weite Passagen des Aufrufs seien für ihn „okay“.

Distanzieren will er sich hingegen von dem Begriff der „Hexenjagd“. Einige der Unterzeichner würden, so Geis, „naiv das Reich mit der Nation“ gleichsetzen und mit ihrem „Imperativ von der homogenen Nation quasi zur ethnischen Säuberung aufrufen“. Die „Polarisierung von rechts“, die der Appell beabsichtige, sei für ihn nicht vertretbar.

Hans-H. Kotte