Sanssouci
: Vorschlag

■ Heiliger Trinker: Veranstaltungen zu Ehren Joseph Roths / Vorschlag * Klingklang: Der ältliche Backfisch Frank Black im Huxley's

Daß er erst hundert Jahre alt würde, am nächsten Freitag, also fast noch am Leben sein könnte, ein Greis am Kaffeehaustisch in engen Offiziershosen, wie man sie in der alten k.u.k. Monarchie trug, nein, das ist nicht zu glauben. Die Welt Joseph Roths ist versunken vor undenklicher Zeit und nur in seinen Märchen und Legenden noch lebendig. Und es ist ja auch nicht wahr, daß er noch leben könnte, denn in dieser Welt und schon in der Welt von 1939, da mochte er nicht mehr. Umgebracht hat er sich nicht, dafür war er in seinen letzten Lebensjahren ein viel zu gläubiger Katholik geworden, grausamer und unendlich viel langsamer, doch dabei nicht minder zielstrebig hat sich Joseph Roth im Pariser Exil ums Leben gebracht, aus dem Leben getrunken.

Noch am selben Tage, als Hitler von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde, flieht er aus Deutschland nach Paris, wie er schon damals aus Berlin geflohen war, 1925, als Hindenburg Reichspräsident wurde und Roth dazu bemerkte: „Es ist eine in Häßlichkeit sterbende Welt. Diese Leute haben noch fünf Jahre die Macht.“ In Berlin war er binnen weniger Jahre zum Starreporter der Weimarer Republik geworden, schrieb für verschiedene Berliner, Prager und Wiener Zeitungen täglich kurze Feuilletons, schlendernde Beobachtungen von Alltäglichkeiten, wie sie heute in Tageszeitungen kaum noch Platz finden. Er beschreibt Straßenecken, neue auffällige Schaufensterdekorationen, Parkbänke und immer wieder Menschen. Die elenden, entrechteten beschrieb er am liebsten und am liebevollsten, und es war die Zeit, als Joseph Roth seine Artikel im sozialdemokratischen Vorwärts noch mit „Der Rote Joseph“ zeichnete und sich selbst einen sozialistischen Reporter nannte.

Diese Berliner Zeit Joseph Roths ist Gegenstand von einer der zwei Ausstellungen, die zur Zeit im Foyer der Staatsbibliothek in der Potsdamer Straße zu sehen sind. Manuskriptseiten gibt es da zu sehen, Fotographien von Verlagshäusern, bei denen einige seiner Romane erschienen; Zeitungsredaktionen, für die Joseph Roth arbeitete, Hotels, in denen er wohnte (in einer Wohnung hat er nie gewohnt) und vor allem natürlich Kaffeehäuser, in denen er schrieb – Mampes Gute Stube auf dem Kurfürstendamm zum Beispiel, wo er am „Radetzkymarsch“ schrieb. All diese Orte sind noch einmal auf einer großen Berlinkarte bunt markiert, so daß man das Berlin Joseph Roths ganz allein erkunden könnte.

Will man es viel kenntnisreicher und detaillierter wissen, sollte man an einem der „Joseph-Roth-Spaziergänge“ teilnehmen, die im September und Oktober unternommen werden: eine Reise durch die 20er Jahre mit Joseph Roth (samstags) und durchs Scheunenviertel mit Joseph Roth (sonntags). Außerdem veranstaltet die Literaturwerkstatt am 2. und 3. September ein Joseph- Roth-Kolloqium, zahlreiche Lesungen und eine Filmreihe von Romanverfilmungen, von der am 1.9. noch „Das Spinnennetz“ von Bernhard Wicki zu sehen ist. Volker Weidermann

Mehr Informationen erteilt die literaturWERKstatt Berlin, Majakowskiring 46/48, Pankow. Telefon 482 47 65.

VorschlagKlingklang: Der ältliche Backfisch Frank Black im Huxley's

Frank Black, König der Pixies und „Teenager of the Year“, gebärdet sich weniger wie ein losgelassener Abgenabelter, sondern mehr als ein aufgeräumter Ausgewachsener. Das Haupt der Pixies, Kurator des musikalischen Geschehens der Band, hat sich schon lang auf erwachsenen Solopfaden rumgetrieben, seine letzte Scheibe „Teenager of the Year“ ist allerdings immer noch nicht ganz verdaut, auch nicht von Leuten, die ihm all die Jahre fanmäßig sehr nahe standen. Sie ist nicht eindeutig als Pop, auch nicht als verzwickter, sophisticateder zu verstehen. Die Musik des Frank Black bewegt sich zwischen Zartgemüse und Dosenpunk.

Da kommen Pop-Knaller wie „Abstract Plain“ daher, die wie gerade erst gepflückt klingen und äußerst vollkommen neben Country-Balladen und Hüpf- und Hüft-Orgien wie „Thalassocracy“ von der Bühne herunterschallen, als wäre Black bei der Erfindung der Popmusik dabeigewesen. Viele Stücke seiner letzten Platte klingen allerdings, als ob er sich einfach nicht getraut hätte, die dreimal überlangen Rohfassungen zu straffen und ein kompaktes Ding daraus zu machen – als ob er all seine kleinen Ideenausflüge sofort auch auf Platte bannen mußte.

Überhaupt scheint Herr Schwarz noch nie nicht ein elder man gewesen zu sein, selbst seine Jugend möchte man ihm eher als Bücherwurm und Pianovirtuose denn als Gitarrenrocker und Jeansträger andichten. So auch die Musik. War bei den Pixies das Klassenbesten-Prinzip durch buntes Band-Sein gebrochen, hat Frank Black jetzt nur noch sich und sein Publikum, und die Musiker der Frank Black Band, aber das eher nebenbei. Das mag er gerne, wenn sich Connaisseurs einfinden, denn eine Massenabfertigung, in der sich die Atmosphäre erzeugende Spielkunst nicht entfalten könnte, scheint dem gepunkteten Popper nicht zu munden.

Der Teenager-King ist genau besehen aber höchstens ein Gurkenkönig, und man kann eigentlich froh sein, daß er so ein versessener Alleskontrolleur ist, daß er das damals nicht mehr aushalten konnte und den Rest-Pixies per Fax ein Dekret zur Auflösung ihrer selbst übersandte. Seitdem kann Kim Deal bei den „Breeders“ klasse Musik und gute Texte produzieren und Black sich mit sich selbst vergnügen. Das macht er dann ganz wunderhübsch, wenn man sich seine Werke oft und oft und oft anhört, die klitzekleinen Schönheiten raushört, sich darauf einläßt und ganz bei der Sache ist. Dann entsteigt dem übertrieben langen Klingklang ein frisches, abgerundetes, Frank-Black-eigenes Klangreich, das einen doch für den Rest des Abends ins Huxley bannen wird. Annette Weber

Frank Black, um 20 Uhr im Huxley's, Hasenheide 108–114.