DVU-Fraktion zahlte sich „Sicherheitszuschlag“

■ Fraktionsgelder an Abgeordnete verteilt / Präsidenten von Bürgerschaft und Rechnungshof sind entsetzt

Alle Abgeordneten sind gleich, sagt das Verfassungsgerich. Einige sind gleicher, das scheint der Grundsatz der DVU in der Bürgerschaft zu sein. Die hat im Jahr 1992 nämlich gute 44.000 Mark aus Fraktionsmitteln an ihre Abgeordneten verteilt. Genau 807 Mark und 40 Pfennige pro Monat und Abgeordnetem bezahlte die Fraktion als „Sicherheitszuschlag“ wegen „Terroranschlägen“. Entsprechende Dokumente liegen der taz vor. Bürgerschaftspräsident Dr. Dieter Klink: „Das ist eindeutig eine mißbräuchliche Nutzung von Fraktionsgeldern.“

Es war am historischen 30. Januar 1992, als die DVU-Fraktion zu einer entscheidenden Sitzung zusammenkam. Eine Weichenstellung stand auf der Tagesordnung: Sollte ein Fraktionsbüro eröffnet und die Fraktion damit auf eine normale parlamentarische Arbeit orientiert werden oder nicht? Hoher Besuch hatte sich angesagt: Parteichef Dr. Gerhard Frey mitsamt seiner Ehefrau war eigens zur Sitzung aus dem fernen München angereist.

Am Ende der Debatte war es einzig der mittlerweile verstorbene Altnationale Karl-Heinz Vorsatz, der für ein Büro plädierte. Anders sei die Arbeit in der Bürgerschaft nicht ordentlich zu leisten, gab er zu Protokoll. Dagegen redete die Fraktionsvorsitzende Marion Blohm: So viel Arbeit sei das gar nicht.

Fraktionsvorsitzende Marion Blohm: Lieber Cash als ein BüroFoto: Tristan Vankann

Dagegen sei die „Sicherheitslage" zu bedenken. Außerdem gebe es je auch noch die Möglichkeit, an jeden einzelnen Abgeordneten Zuschüsse zu bezahlen, damit der die Arbeit schaffe. Als auch noch Frey persönlich gegen ein Büro redete, war die Sache entschieden: Der „Terror“ ließe die Eröffnung einer Geschäftsstelle nicht zu. „Die DVU-Fraktion sollte durchaus demonstrativ zeigen, daß sie anders sei als die Etablierten“, vermerkt das Protokoll die Argumente Freys.

„Ein Zentralbüro der Fraktion wird grundsätzlich abgelehnt“, hält das Protokoll fest. Aber

hierhin bitte

die Frau am Rednerpult

auch: „Herr Vorsatz gibt seinen Protest gegen die Abstimmung zu Protokoll.“ Statt der Geschäftsstelle genehmigten sich die Fraktionäre einen großen Schluck aus der Pulle der Fraktionsfinanzen: Zum einen beschlossen sie monatliche Zuschüsse von bis zu 1.500 Mark pro Abgeordnetem für die parlamentarische Arbeit, „unter der Voraussetzung, daß alle Möglichkeiten über die Bürgerschaft ausgeschöpft wurden.“ Und obendrauf beschloß sie den dubiosen „Sicherheitszuschlag“ in der Höhe von 20 Prozent der Diäten, zahlbar ab 1.Februar 1992. So kam je

der Abgeordnete in den Genuß einer Gehaltserhöhung von 8.881,40 im Jahr 92, ganz ohne Belege. Das Geld floß, bis Peter Nennstiel im Januar diesen Jahres die DVU verließ und damit der Fraktionsstatus und der größere Teil der Zuschüsse futsch war.

Den Antrag hatte Nebenerwerbs-Fraktionsgeschäftsführer Sven Eggers gestellt. Der ist eigenlich Schreiber bei den Frey- Blättern Deutsche Wochenzeitung und Nationalzeitung. „Die Abgeordneten sollen hiervon Vorsorgemaßnahmen treffen“, begründet Eggers den Zuschuß, gegen „immer neue Terror-Anschläge auf DVU-Mandatsträger und DVU-Mitglieder in Bremen und Bremerhaven“. Die Abstimmung ging mit 4:1 aus. Nur Karl- Heiz Vorsatz war dagegen.

Mittlerweile liegt der Bremer Steuerfahndung eine anonyme Anzeige vor, man möge doch einmal prüfen, ob die Abgeordneten das Zubrot denn ordnungsgemäß versteuert hätten. Doch es ist nicht allein das Finanzamt, das sich für den Vorgang interessiert: Sowohl die Bürgerschaft als auch der Rechnungshof wachen mit Argusausgen über die ordnungsgemäße Verwendung von Fraktonsmitteln. Von ordnungsgemäß, da sind sich alle sicher, kann in diesem Fall keine Rede sein.

„Wenn ich mich recht erinnere, hat noch im Frühjahr die Fraktionsvorsitzende Marion Blohm mir gegenüber erklärt, daß die Fraktionsgelder nach dem Gesetz ausgegeben worden sind“, erzählt Bürgerschaftspräsident Dieter Klink. „Das gilt als eidesstattliche Erklärung.“ Und wer dabei lügt, der macht sich strafbar. Der Rechnungshof versucht schon seit April, an prüffähige Unterlagen der DVU aus dem Jahr 1992 zu kommen, bislang vergebens. Trotz mehrmaliger Mahnung hat Rechnungshofpräsident Hartwin Meyer-Arndt noch nicht einmal eine Antwort auf sein Anschreiben bekommen. „Jetzt wirds ernst“, meinte er zu den neuerlichen Vorwürfen vor diesem Hintergrund. Ob Meyer-Arndt zu Zwangsmitteln greifen wird und welche ihm überhaupt zur Verfügung stehen, das hat er überhaupt noch nicht geprüft. Es schüttelt ihn bei dem bloßen Gedanken: „Gegen gewählte Volksvertreter, eine Horrorvorstellung. Das dürfte es gar nicht geben.“ Jochen Grabler