Wenn der Bademeister den Überblick verliert

■ Zehntausende tummelten sich am Wochenende in den Freibädern/ Bei sengender Hitze gingen manchen die Nerven durch/ Kreislaufkollaps im Wasser

Berlin. Die Augen des Bademeisters wandern über das Wasser im Sommerbad Wilmersdorf. Die Köpfe der begeistert kreischenden Badenden, die dicht an dicht wie schwarze Punkte auf der Oberfläche tanzen, verschwimmen im wassergespiegelten Sonnenlicht. Der Grund des Bassins ist dank der zentnerweise verdünnten Sonnecreme schon lange nicht mehr zu sehen. Am Rand treibt ein lebloses Mädchen. Der Bademeister erspäht das Kind erst, als ein Hilferuf ertönt. Er hechtet samt Sonnenbrille ins Wasser und wuchtet das Mädchen an Land. Die Kleine gibt kein Lebenszeichen mehr von sich, ihre Augen sind weit geöffnet, die Lippen schon ganz blau. Der Bademeisters preßt sich mit aller Kraft auf den Oberkörper des Kindes. Durch Mund-zu-Mund-Beatmung gelingt es ihm, das Kind wiederzubeleben.

Das Mädchen hatte am vergangenen Samstag einen Schwächeanfall im Wasser erlitten. Rund 80 Prozent solcher Unfälle, schätzt ein Schwimmeister gegenüber der taz, werden dem Aufsichtspersonal von anderen Badegästen mitgeteilt. Wenn das Becken so voll wie in diesen Tagen sei, habe es das Personal schwer, den Überblick zu behalten. Im Freibad Wilmersdorf, wo am vergangenen Wochenende täglich bis zu 13.000 BesucherInnen gezählt wurden, wachen ganze vier Bademeister über die Schwimmbecken. Das große Becken ist so voll, daß man keine geraden Bahnen mehr ziehen kann. Das liegt nicht nur an der Hitze, sondern auch daran, daß das Nichtschwimmerbecken gesperrt ist, weil dem Bezirksamt wegen der Sparmaßnahmen keine Mittel für die Reparatur zur Verfügung stehen.

Auch für mehr Badmeisterstellen ist das Geld zu knapp. Dementsprechend nervös ist das überforderte Personal: Als eine Gruppe Jugendlicher am Samstag vom Drei-Meter- Brett aus andere Badegäste mit ihren Sprüngen gefährdete, holte der gestreßte Badmeister sogleich die Polizei. Die uniformierten Beamten, die in zwei Mannschaftswagen anrückten, verloren inmitten der tropfnassen Menschenmenge ihre Nerven. Sie schlugen zwei Jugendliche in Badehose zusammen, die sich verbal gegen das Platzverbot des Bademeisters zur Wehr gesetzt hatten.

In anderen Freibädern, wie dem Strandbad Wansee, in dem sich gestern 50.000 Sonnenhungrige tummelten, ging es weniger dramatisch zu. Im Kreuzberger Prinzenbad lagen die Handtücher so dicht an dicht, daß man vom Schwimmbassin aus nur in einem großen Bogen seinen Liegeplatz erreichen konnte. Auch auf den Wiesen im Freibad Pankow lagen die Menschen wie Sardinen in der Dose. Wegen der Hitze ließen viele Gäste auch die letzten Hüllen fallen und tankten Sonne pur. Fortsetzung folgt: Heute sollen es 33 Grad werden! plu