Restschuldversicherung: 340 Mark für nichts bezahlt

Deutsche Bank wirbt für eine ganz besondere Form der Kreditsicherung / Viele Ausschlußklauseln / Die Geldhäuser bekommen 30 Prozent der Prämien  ■  Von Bernhard Kuntz

Der nach oben zeigende Balken im Firmenemblem suggeriert Dynamik und Progression. Entsprechend soll die Kreditvergabe der Deutschen Bank sein: „Schnell & Einfach“. So lautet zumindest die Überschrift einer Anzeige der Großbank, die seit Wochen in mehreren Tageszeitungen erscheint. In ihr wirbt die Deutsche Bank für Kleinkredite bis 15.000 Mark. „Ob Sie ein Auto kaufen, neue Möbel anschaffen, Haus oder Wohnung verschönern - nutzen Sie den Persönlichen Kredit“, heißt es im Text weiter. Und damit auch der auf Sicherheit bedachte potentielle Kunde von den ausführlich dargelegten Vorteilen dieser Kreditform Gebrauch macht, heißt es abschließend: „Wir versichern Ihren Kredit, wenn Sie es wünschen - zum Schutze Ihrer Familie.“

Nicht erwähnt wird im Anzeigentext leider, daß die Deutsche Bank, zumindest „wenn keine Lebensversicherung und kein Bürge zur Kreditsicherung herangezogen werden können“, den Abschluß einer entsprechenden Versicherung „sehr stark empfiehlt“. Verschwiegen wird auch, daß der Kunde für diese Form der Sicherheit - in der Banker- und Versicherersprache Restschuldversicherung genannt - bei einem Kreditvolumen von 15.000 Mark einen einmaligen Versicherungsbeitrag von 340 Mark bezahlt. Er ist auch nicht in dem von der Bank genannten „effektiven Jahreszins“ von 9,2Prozent verrechnet. Zu Recht: Denn nicht die Deutsche Bank versichert im Gegensatz zu dem, was der Anzeigentext suggeriert, den Kreditnehmer, sondern eine Versicherungsgesellschaft. Die Bankangestellte fungiert beim Vertragsabschluß nur als Versicherungsmakler. „So würde ich diese Tätigkeit nicht bezeichnen“, sagt Rudolf Jahn, Pressesprecher der Deutschen Bank in Hamburg. „Ich würde sagen, wir bieten in Zusammenarbeit mit Versicherungsgesellschaften Restschuldversicherungen an.“

Für den Kreditnehmer bedeutet der Abschluß einer Restschuldversicherung zunächst nur eine Erhöhung der Kreditkosten. Im Todesfall kann er sich jedoch freuen: Seine Erben müssen die noch offenen Raten nicht bezahlen. Die Versicherung springt dann ebenso wie im Krankheitsfall und bei Arbeitsunfähigkeit ein. Sie zahlt - laut Vertrag entweder ein „Krankentagegeld in Höhe eines Dreißigstels der Monatsrate“ oder bei Arbeitsunfähigkeit „eine Rente in Höhe der monatlichen Rate“. Damit werden die Ansprüche der Bank beglichen.

Doch daß diese Form der Sicherheit im Notfall wenig wert ist, erfahren Kreditnehmer immer wieder. Zum einen ist eine der wichtigsten Ursachen für Zahlungsunfähigkeit, die Arbeitslosigkeit, vom Vertrag ausgenommen, zum anderen zahlen die Gesellschaften, wie Vertreter von Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungsstellen übereinstimmend betonen, „eigentlich fast nur bei Unfällen und Todesfällen“. Denn: Jeder Vertrag hat seine Klauseln.

Diese Erfahrung machte zum Beispiel eine Frau aus Hamburg. Vor einem Jahr benötigte sie Geld. Sie ging zu einer Filiale der Deutschen Bank, um ihren laufenden Kredit aufzustocken. Der Kunde ist König - also füllte der Sachbearbeiter der Bank den Stapel Formulare selbst aus. Die Kundin muß nur noch unterschreiben. Eine Umschuldung war vorgenommen, der laufende Kredit auf 15.000 Mark erhöht. Aber nicht nur das: Mit dem neuen Kredit schloß die Frau eine Restschuldversicherung bei der „Berlinische Leben“ für den Todes-und Krankheitsfall ab. Der einmalige Versicherungsbeitrag von 340 Mark wurde von ihrem Konto abgebucht.

Ein böses Erwachen gab es jedoch, als sie ein halbes Jahr nach der Aufstockung ihres Kredits krank wurde. Sie konnte die Kreditraten, 600 Mark pro Monat, nicht mehr bezahlen. Die Versicherungsgesellschaft weigert sich nun, die offenstehenden Beträge zu begleichen. Erst müsse „eine Leistungsbescheinigung der Krankenkasse von Frau M. mit Angaben der Diagnosen seit 1983 - laufend“ vorliegen, dann könne eventuell eine Krankentagegeldzahlung zugunsten der Bank erfolgen. Dies schreibt der Frau die „Deutsche Krankenversicherung“, an die die „Berlinische Leben“ einen Teil der Versicherung abgetreten hat. Bei Abschluß der Versicherung fragte niemand ausführlich nach Frau M.s Krankengeschichte. Zwar sind im Vertragsentwurf zwei Zeilen für Angaben über Krankheiten in den vergangenen drei Jahren vorgesehen; die Bank war jedoch an einer zügigen Abwicklung der Umschuldungsaktion interessiert. Die Versicherung wollte die Prämie einstreichen. Kann die Versicherungsgesellschaft nachweisen, daß Frau M. eine gesundheitliche Vorbelastung „verschwieg“, muß sie, unabhängig davon, ob ein Zusammenhang mit ihrer jetzigen Erkrankung besteht, nicht zahlen.

Am Rande der Legalität sieht deshalb Bendix Klingenberg, Sozialberater bei der Bürgerinitiative ausländischer Arbeitnehmner e.V. Wilhelmsburg, die Restschuldversicherer agieren; insbesondere wenn es sich um ausländische Mitbürger handelt. Nicht nur nach seinen Schätzungen machen professionelle Geldverleiher in 70 bis 80 Prozent der Kreditanfragen ausländischer Arbeitnehmer ihre Kreditvergabe vom Abschluß einer Restschuldversicherung abhängig. Dies, obwohl - oder gerade weil - sie die ihnen vorgelegten Formulare häufig kaum verstehen. Bendix Klingenberg hat deshalb ebenso wie Seyfi Özgen, Sozialberater beim Internationalen Familienzentrum in Frankfurt, bereits mehrmals gebeten, die Formulare in die Muttersprache personenstarker Ausländergruppen zu übersetzen. Seyfi Özgen, zugleich vereidigter Übersetzer für Türkisch, hat der Deutschen Bank in Frankfurt sogar angeboten, dies kostenlos zu tun. Trotzdem, obwohl ein entsprechender Kundenservice zum Beispiel in den Niederlanden und den USA schon lange Praxis ist, blieb die Bank bei ihrem Standpunkt: Wer für sich Kreditwürdigkeit in Anspruch nehme, müsse auch dazu fähig sein, deutschsprachige Formulare durchzulesen. Warum, das bleibt ihr Geheimnis.

Deutlich ist hingegen, warum die Deutsche Bank trotz aller Kritik an der Restschuldversicherung als Form der Kreditabsicherung festhält. Sie kassiert 30 Prozent des einmaligen Versicherungsbeitrages als Vermittlungsgebühr. Ein lohnendes Geschäft: Bei einem Viertel aller Ratenkredite werden mittlerweile Restschuldversicherungen abgeschlossen; bei Teilzahlungs- und Großbanken sind es sogar über 50 Prozent. Vielleicht müssen noch einige Kunden „finanziell über den Deich gehen“, bevor die Wunschvorstellung des Hamburger Pressesprechers der Deutschen Bank Realität wird. „Ideal wäre doch, wenn alle Kunden mit unserer Kreditvergabe zufrieden wären und immer wieder zu uns zurückkämen.“