Schwimmers Wachgesang

Altonale und Literaturhaus gedenken des wenig bekannten französischen Meeres-Schriftstellers Paul Morand

„Denke ich an vollkommen glückliche Tage zurück, dann sind dies fast immer Sommertage“, schreibt der französische Autor Paul Morand (1888–1976) schon auf der ersten Seite seiner 1960 erstmals edierten Autobiografie Aufzeichnungen eines notorischen Schwimmers. Um später zu ergänzen: „Damals waren die französischen Strände im Sommer noch genauso leer wie im Winter die Berge. Es war noch Platz in der Natur. Und Stille.“

Glücklicherweise konnte es sich Morand, an dessen Werk jetzt das Literaturhaus erinnert, leisten, immer dann, wenn er gerade wollte, ins Meer zu springen. Denn als Privatschüler von Jean Giraudoux, als Student in Oxford, als Coco Chanel-Vertrauter, als Ehemann der reichen rumänischen Prinzessin Hélène Soutzo, als Botschaftsattachée in London und als Botschafter der kollaborierenden Vichy-Regierung in Bukarest konnte er seine mondäne Badehose stets wechseln, wie ihm beliebte. Doch Luxusleben und Dandytum machen einen Schriftsteller nicht unbedingt schlechter. Das merkt man gleich, wenn man in dem jetzt erstmals auf Deutsch erschienenen Band blättert. Morand ist eine Entdeckung: Im plaudernden, mit Bonmots gespickten Tonfall des Weltbürgers beschreibt er eine untergegangene Zeit. Die Zeit der Seebäder, des schönen Nichtstuns – ein wenig verwandt der mediterranen Literatur eines Cesare Pavese.

Schon früh begann Morand übrigens, über das Baden zu schreiben. In dem Gedicht „Bains publics“ zählte er all jene Orte auf, wo er sich bisher ins Meer stürzen durfte: Havanna, Dieppe, Hongkong oder Palma de Mallorca. Was sich zuerst prätentiös liest, gewinnt dabei nach und nach an Kontur: Dieser Mensch konnte nur am Meer wirklich glücklich sein. So wirkt auch der französische Originaltitel des Notorischen Schwimmers passender: Bains de mer, bains de rêve (Meeresbäder, Traumbäder). Morand gelingt darin nicht weniger als eine poetische Liebeserklärung an das Meer – aber auch die dichte Beschreibung einer Epoche, die es schon bei Erscheinen des Buches einige Dekaden lang nicht mehr gab. Dabei ist sich der steinreiche Lebemann durchaus dessen bewusst, auf welch glücklicher Welle er zeitlebens reiten durfte: „Als auf schuldig bekennender Hedonist und allzu sehr darauf bedacht, sich allein vom Geschehen wiegen zu lassen, wird der Autor schreiben, wie er gelebt hat: rücklings auf den Wellen treibend, keine andere Methode als die seiner Laune kennend ...“

Jetzt erzählen, lesen und diskutieren der Morand-Übersetzer Jürgen Ritte, der Literaturkritiker Denis Scheck und Literaturhausleiter Rainer Moritz über das literarische Freischwimmertum des in Deutschland noch wenig bekannten Autors. Marek Storch

Fr, 3.6., 20 Uhr, Altonaer Museum: Lesung mit John von Düffel im Rahmen der Altonale. Mo, 6.6., 20 Uhr: Morand-Abend im Literaturhaus, Schwanenwik 38