Erdrutsch auf Karibikinsel

JAMAIKA Konservative Labour Party verliert überraschend Parlamentswahl. Ihre Nähe zu einem ausgelieferten Drogenboss wurde ihr zum Verhängnis

SANTO DOMINGO taz | Glaube versetzt Berge. Der tiefgläubige jamaikanische Ministerpräsident Andrew Holness muss jetzt diese bittere Erfahrung selber machen. Nach nur zwei Monaten im Amt muss der 39 Jahre alte Adventist und Spitzenkandidat der konservativen Jamaica Labour Party (JLP) künftig die Oppositionsbank drücken.

Entgegen allen Umfragen hat die sozialdemokratische People’s National Party (PNP) die Parlamentswahlen vom Donnerstag mit 41 der insgesamt 63 Parlamentssitze gewonnen. Bisher hatte sie 27 Mandate. Die Sozialdemokratin Portia Simpson Miller, die vor vier Jahren ihr Amt verlor, wird neue Regierungschefin. Nach amtlichen Angaben beteiligten sich nicht mal die Hälfte der 1,6 Millionen Stimmberechtigten.

Holness wollte mit den vorgezogenen Wahlen die Reggaeinsel in ruhigeres Fahrwasser bringen. Im Oktober hatte der damalige konservative Regierungschef Bruce Golding überraschend seinen Rücktritt erklärt. Er reagierte damit – wenn auch zeitverzögert – auf die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Mai 2010 in Tivoli Gardens, einer Vorstadt der Hauptstadt Kingston. 76 Menschen waren damals umgekommen, als die Polizei versuchte, Drogenboss Christopher „Dudus“ Coke festzunehmen und an die USA auszuliefern.

Tivoli Gardens war der Wahlbezirk Goldings und „Dudus“, wie sich herausstellte, ein spendabler Unterstützer des Regierungschefs. Seit „Dudus“ Coke in den USA im Gefängnis sitzt und über Interna seiner finanziellen Unterstützung der jamaikanischen Politik erzählt, waren die Amtstage Goldings gezählt.

Die Aufgabe der 66-jährigen Wahlsiegerin Miller wird nicht leicht. Seit einer Umschuldung muss Jamaika für die Schuldenbedienung fast zwei Drittel des Staatshaushalt verwenden. Zwar boomt der Tourismus, und auch die Deviseneinnahmen von Auslandsjamaikanern sind nach einem Einbruch wieder auf über zwei Milliarden US-Dollar im Jahr gestiegen. Aber fast die Hälfte der Bevölkerung hat keine feste Arbeit. HANS-ULRICH DILLMANN