NRW-Justizministerium: „Wecken war nicht das Ziel“

U-HAFT Anwälte beklagen, dass Exmanager Thomas Middelhoff wochenlang nachts kontrolliert wurde

BERLIN taz | Das NRW-Justizministerium bestreitet, dass der inhaftierte Exmanager Thomas Middelhoff wochenlang nachts alle 15 Minuten geweckt worden sei. Auch bei Suizidgefahr gebe es nur Sichtkontrollen, betonte ein Sprecher des Ministeriums gegenüber der taz.

Die Anwälte Middelhoffs hatten behauptet, dieser sei „über einen Zeitraum von 672 Stunden“ jede Viertelstunde geweckt worden, in seiner Zelle habe meist das Licht gebrannt. Inzwischen sei Middelhoff schwer erkrankt.

Die Grünen-Rechtspolitikerin Renate Künast zeigte sich beunruhigt: „Andauernder faktischer Schlafentzug durch sogenannte Selbstmordprävention zerstört einen Menschen physisch und psychisch“, sagte sie zu Spiegel Online. „Er ist eindeutig eine Verletzung der Menschenrechte und mit nichts zu rechtfertigen.“ Sie forderte eine Untersuchung.

Licht nicht zu dimmen

Middelhoff war von 2004 bis zu 2009 Chef des Kaufhauskonzerns Karstadt/Quelle (später Arcandor). Am 14. November 2014 verurteilte ihn das Landgericht Essen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Seitdem sitzt Middelhoff jedoch wegen Fluchtgefahr in U-Haft.

Laut Justizministerium wurde Middelhoff vom 14. November bis 9. Dezember nachts regelmäßig kontrolliert. Mindestens jede Viertelstunde soll ein Beamter durch den „Spion“ der Zellentür geschaut haben. Wenn er nichts erkennen konnte, schaltete er das Zellenlicht ein, das sich in Middelhoffs Zelle nicht dimmen ließ. Wenn der Beamte sah, dass der Häftling atmete, sei die Kontrolle beendet gewesen. „Es ging nicht darum, Herrn Middelhoff zu wecken“, betonte ein Sprecher von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD). Bei einer „vermuteten suizidalen Gefährdung“ sei die regelmäßige nächtliche Kontrolle üblich, so das Ministerium. Ob eine solche Gefährdung angenommen werde, entschieden die Anstaltspsychologen. Dabei flössen auch Hinweise von Vollzugsbeamten ein.

Middelhoffs Anwälte hatten betont, der untersuchende Arzt habe zu Beginn der Haftzeit keine Suizidgefährdung festgestellt. Nach ihren Angaben leidet Middelhoff inzwischen wohl unter der seltenen Autoimmunkrankheit Chilblain Lupus, wofür der Schlafentzug Ende letzten Jahres mitursächlich sein soll. Im Februar und März war Middelhoff bereits im Krankenhaus, seit Dienstag ist er es wieder. Inzwischen haben die Anwälte eine neue Haftprüfung beantragt.CHRISTIAN RATH