Vorrang hat immer die Kunst

HOMMAGE Das Kino in der Brotfabrik ehrt den Musiker und Filmemacher Frank Behnke. Fast wäre er der Welt der Bilder und Töne entwischt, weil er sich treiben ließ. Nur die mögliche Aufnahme in die dffb ließ ihn aktiv werden

Alter ist eine Frage der Übersetzung, der Haltung, der Fähigkeit, aus allem Möglichen zu schöpfen – und sich trotzdem treu zu bleiben

VON RALF KRÄMER

Irgendwann muss man sich eben entscheiden, lautet der karrieretechnische Imperativ, nicht nur im sogenannten kreativen Bereich. Wer was werden will, hat sich auf ein Ziel zu konzentrieren. Acht Tage die Woche. Mit Leidenschaft und einer Flexibilität, die Marktanpassung meint, nicht eine Offenheit des Geistes. Frank Behnke wurde eher mitgezogen, hat sich treiben lassen. Neuneinhalb Jahre arbeitete er zunächst als Krankenpfleger, nur weil seine Mutter ihm gesagt hatte: „Da ist ’ne Stelle frei, du findest nix Besseres.“ Er habe eigentlich immer nur etwas gemacht, weil andere es ihm gesagt hätten, bekennt Behnke. Nur bei seiner Bewerbung für die Berliner Filmhochschule, die dffb, habe er aus eigenem Antrieb, auf eigenes Risiko gehandelt.

Frank Behnke, der am 30. März 1955 in Berlin geborene und zwischenzeitlich nach Detmold ausgewanderte Krankenpfleger und Bassist der Punkband Campingsex, kehrte 1983 fürs Filmstudium in die Mauerstadt zurück. Zwei Jahre später nahm ihn ein Freund mit nach North Carolina, an das Set von David Lynchs „Blue Velvet“. In der Sound-Abteilung von Alan Splat erlebte Behnke die Dreharbeiten vom ersten Drehtag bis zum finalen Schnitt. Besonders ohrenfällig wurde dieser Einfluss später, in Tom Tykwers „Lola rennt“. Da ließ Tonmeister Behnke unter dem gläserzerfetzenden Schrei der Titelfigur einen Schnellzug bremsen, einen Düsenjet starten oder Katzen aufjaulen, wer mag das sagen? Lola will mit diesem Schrei einer Roulettekugel ihren Willen aufzwingen; ihrem Sound traut man das ohne Weiteres zu.

1986, wieder in Berlin, wurde Mutter geboren. Die alten Campingsex-Kollegen Max Müller (Gesang) und Florian Koerner von Gustorf (Schlagzeug) brauchten einen Gitarristen. „Dann habe ich eben das gemacht“, erinnert sich Frank Behnke nonchalant, als habe er seine diversen Fähigkeiten jederzeit abrufen können. Die Berliner Brotfabrik zeigt nun an drei Abenden eine Auswahl und Cut-ups seiner filmischen, auch schauspielerischen Arbeiten. Nicht zuletzt wird dort auch das Erscheinen seines ersten Romans „Ich, Medea“ gefeiert, einer geradezu lautmalerischen Erzählung über den Hang zur Widerständigkeit, zur Verneinung, wenn ein „Ja“ Selbstverleugnung bedeutete. Neben seiner Offenheit für das Mögliche zeichnet sich Behnkes Lebenslauf eben auch dadurch aus, dass er an den – für ihn – richtigen Stellen „Nein“ sagen konnte. Nein zu einer möglichen Karriere als Tontechniker in Hollywood, zu der ihn Alan Splat überreden wollte, „Nein“ zu seiner Band Mutter, der er 2002 den Rücken kehrte.

Und so ist es auch kein Wunder, wenn ihn als Dozent an der Berliner dffb die derzeitigen politischen Interventionen rund um deren vakanten Direktorenposten in Rage bringen. Behnke sieht hier nicht nur die demokratische Kultur gefährdet, er sieht das künstlerische Profil bedroht. Jetzt erst recht müsse man, wie er kämpferisch am Montag, am Nachmittag seines 60. Geburtstags, zu Protokoll gab, offensiv den „Kunstaspekt in den Vordergrund“ stellen, aus der Filmhochschule eine „Kunstschule mit filmischer Ausrichtung“ machen. Klaus Beyer, der legendäre „fünfte Beatle“, den Behnke seit 1987 managt, hat es wohl gewusst, als er seiner Version von „When I’m 64“ der Beatles den Titel „Wenn ich 70 bin“ gab: Das Alter ist keine Frage von Zahlen, noch nicht einmal eine Frage des Gefühls. Es ist eine Frage der Übersetzung, der Haltung, der Fähigkeit, aus allem Möglichen zu schöpfen – und sich trotzdem treu zu bleiben.

■ Frank Behnke: „Ich, Medea“. Quiqueg, 2015, 116 Seiten ■ „Hommage à Frank Behnke“, 2. bis 4. 4. 2015 Brotfabrik Berlin