Der Wahrheitswirbler

Seinen diesjährigen Literaturpreis vergab der Wirtschaftsclubs im Stuttgarter Literaturhaus an Soeren Voima. Anlässlich der Preisverleihung dann wurde bekannt: Hinter dem Mann mit dem sonderbaren Namen verbirgt sich Christian Tschirner, ein Theatermann im umfassenden Sinn: Er ist nicht nur Dramatiker, sondern auch als Dramaturg, Regisseur und Schauspieler am Schauspiel Hannover.

Die Stuttgarter wollen erklärtermaßen junge Autoren auszeichnen, „die sich kritisch und literarisch anspruchsvoll mit Themen der Wirtschafts- und Arbeitswelt auseinandersetzen“. Neben „Herr Ritter von der traurigen Gestalt“, einer aktuellen Version des Don Quichotte, und „80 Tage, 80 Nächte“, der abenteuerlichen Geschichte eines Teddybären, der nicht im richtigen Land fabriziert wurde – würdigte die Jury vor allem Voimas/Tschirners „Das Gestell“.

Der Titel spielt an auf einen zentralen Begriff des Philosophen Martin Heidegger: Er meint die Technik, alle Mittel, mit deren Hilfe sich der Mensch der Natur bemächtigt. Das Stück, im Mai dieses Jahres in Stuttgart uraufgeführt, beschreibt die rasante Anpassung kritischer junger Geister in unserer Republik – und was passiert, sollten sie sich mal nicht anpassen.

Christian Tschirner, 1969 in Wittenberg geboren, neigt zur Herabstufung des Erhabenen in die Niederungen unseres Alltags, also zur Travestie, das bürgt für Humor. Der gelernte Tierpfleger erlangte das Abitur per Abendschule. Er studierte Schauspiel in Berlin und gründete mit den Regisseuren Tom Kühnel und Robert Schuster 1995 die Autorengruppe Soeren Voima – benannt nach finnischem Knäckebrot. Ehe er nach Hannover ging, war er unter anderem in Frankfurt, Halle (Saale), Bochum, Wien und Braunschweig engagiert.

Aber stimmt das überhaupt? Auch Soeren Voima hatte ja eine Biographie – da das Durcheinanderwirbeln von Fiktion und Wirklichkeit eine Spezialität seiner Spielart von Theater-Realismus ist, ist Vorsicht geboten. ULRICH FISCHER