Ein Paradies in Trümmern

SÜDSEE „Ganze Dörfer sind weggeblasen worden“, berichtet eine Hilfsorganisation. Noch ist das Ausmaß der Verwüstungen auf Vanuatus entlegenen Inseln nicht klar

AUS SYDNEY URS WÄLTERLIN

Der „glücklichste Platz der Welt“, so bezeichnete die New Economics Foundation, die besonderen Wert auf Umweltverträglichkeit und Lebensgefühl legt, im Jahr 2006 den Südsee-Inselstaat Vanuatu. Das Paradies ist zerstört. Der Wirbelsturm „Pam“, der in der Nacht zum Samstag über die Inseln zog, könnte eine der „schlimmsten Unwetterkatastrophen in der pazifischen Geschichte sein“, meinte am Sonntag das UN-Kinderhilfswerk Unicef in Neuseeland. Obwohl bis zum Sonntagabend erst sechs Todesopfer gemeldet worden waren, gingen Hilfsorganisationen von Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Toten aus. Die Lage im Archipel blieb unklar, weil praktisch alle Kommunikationswege zwischen den Inseln unterbrochen waren. „Unsere Hoffnung auf eine blühende Zukunft ist zerstört“, sagte Vanuatus Präsident Baldwin Lonsdale, sichtlich um Fassung bemüht, vor den Delegierten einer UN-Konferenz zur Katatrophenvorsorge in Japan (siehe Text unten).

Der Wirbelsturm der höchsten Kategorie war am Samstag mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 Stundenkilometern über die Inselgruppe gezogen. Vanuatu ist als Ferienparadies in der Südsee bekannt, etwa 1.700 Kilometer von Nordaustralien entfernt. Das Land besteht aus 82 Inseln – 65 davon sind bewohnt.

In der Hauptstadt Port Vila war die Wucht des Zyklons so groß, dass Fenster eingedrückt und Türen aus ihrer Verankerung gerissen wurden. Häuser in Strandnähe standen zeitweise metertief unter Wasser. In der Hauptstadt mit ihren relativ modernen Gebäuden seien bis zu 90 Prozent der Häuser beschädigt, meldeten Beobachter am Sonntag. Tom Skirrow von Save the Children meinte, Port Vila sei ein Bild völliger Zerstörung: „Häuser sind zerstört, Bäume entwurzelt, Straßen blockiert und Menschen irren auf den Straßen umher auf der Suche nach Hilfe.“ Viele Schutzunterkünfte, in die sich Bewohner gerettet hatten, stünden unter Wasser, so die Entwicklungshelferin Charlie Demon. Auf der Hauptinsel leben rund 65.000 Menschen.

Die Regierung von Vanuatu rief am Sonntag für den Bezirk der Hauptstadt den Notstand aus. Einsatzkräfte waren damit beschäftigt, die Landepiste des Flughafens von Port Vila für anreisende Nothilfeflüge freizuräumen. Am Sonntag konnten erste Maschinen dort landen. Die Nachbarländer Australien und Neuseeland haben Helferteams entsandt. Die Europäische Union stellte eine Million Euro für Hilfeleistungen bereit.

Große Befürchtungen hegen Hilfsorganisationen für die Bewohner der entlegenen Inseln im Norden und Süden der Gruppe, die direkt von dem Sturm betroffen waren. Zehntausende von Menschen leben auf diesen Inseln, in der Regel in traditionellen Unterkünften aus Bambus und Stroh, die wenig Schutz vor Stürmen bieten. Chloe Morrision von World Vision meinte, einige Dörfer seien offenbar „buchstäblich in die Luft gehoben und weggeblasen worden“.

Katastrophenorganisationen fürchten, dass sich die Situation für die Überlebenden rasch verschlechtern könnte, wenn nicht schnell Hilfe kommt. Menschen hätten „zwar überlebt, haben aber nichts zum Überleben. Deshalb müssen wir so rasch wie möglich dahin“, sagte die UN-Zuständige Sune Gudnitz.

Zyklon „Pam“ hat auch in den Nachbarstaaten schwere Schäden angerichtet, darunter in Neukaledonien und den Salomoninseln. In Tuvalu seien 45 Prozent der 10.000 Einwohner schwer betroffen, sagte Regierungschef Enele Sopoaga. Derzeit zieht der Sturm in Richtung Neuseeland.

Im Pazifik kommt es während der Sommermonate immer wieder zu Zyklonen. Laut Meteorologen haben die Zahl und Intensität der Stürme in den letzten Jahren zugenommen. Experten machen dafür unter anderem den Klimawandel verantwortlich, vor allem die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur.