Die geistig-moralische Erblast

An den Erfolgen der NPD im Osten Deutschlands sind vor allem die PDS und ihr Vorgänger, die SED, schuld. Das glaubt jedenfalls der CDU-Mann Harald Bergsdorf. Man muss kein Freund der PDS sein, um Bergsdorfs Belege ein wenig dünn zu finden

Das Wahlergebnis vor drei Jahren war eine mittlere politische Sensation: Zum ersten Mal seit 1968 und nach Jahrzehnten am Rande der politischen Bedeutungslosigkeit war der NPD wieder der Sprung in ein Landesparlament gelungen – den sächsischen Landtag. Seither sind der NPD weitere bemerkenswerte Erfolge gelungen und einige Bücher auf den Markt gekommen, die sich mit den Hintergründen und Folgen dieser Entwicklung befassen.

Woher rühren die jüngsten Erfolge der NPD? Was unterscheidet die „modernen Nazis“ von ihren braunen Vorläufern? Diese Fragen versucht auch das Bändchen des Bonner Politikwissenschaftlers Harald Bergsdorf über „Die neue NPD“ zu beantworten.

Das Buch bietet einen bündigen Überblick über die Parteigeschichte der NPD, ihre Ideologie, ihre Strategien und ihre Wählerschaft. Wer sich nicht erst seit gestern für die NPD interessiert, dürfte das meiste davon in den vergangenen Jahren schon an anderer Stelle gelesen haben. Neue, eigene Studienergebnisse zur NPD präsentiert Bergsdorf nicht. Er bietet keine Nahaufnahme der Partei oder ihrer Wählerschaft, sondern bleibt beim Weitwinkelblick.

Allerdings hebt sich seine Analyse in einem Punkt von ähnlich klingenden älteren Titeln ab: Bergsdorf gehört zur Schule jener Politologen, deren besonderes Interesse der Suche nach Parallelen von Rechts- und Linksextremismus gilt. Vergleiche zwischen beiden Polen dürfe man nicht tabuisieren, fordert er.

So widmet sich Bergsdorf an verschiedenen Punkten des Buches der – in der Tat spannenden – Frage, welche Rolle die SED-Vergangenheit und die PDS-Politik seit der Wende für die überdurchschnittlichen Erfolge der NPD in den neuen Ländern spielen. Dass die Linkspartei dabei nicht gut wegkommt, ist keine Überraschung: Bergsdorf, selbst seit 2005 Vorsitzender eines CDU-Ortsvereins in Bad Godesberg, hat seine Aversionen gegen die „linksextreme“ PDS schon öfter zu Papier gebracht.

Seinen Thesen bleibt er auch in dem NPD-Buch treu: Nach fast 60 Jahren Diktatur, davon 40 Jahre SED-Regime, gebe es in Ostdeutschland heute mancherorts einen „günstigeren Nährboden“ für Rechtsextremismus als im Westen, schreibt Bergsdorf. Schuld daran sei ein dickes Bündel von „geistig-moralischen Hinterlassenschaften der ‚antifaschistischen‘ SED“ – das Freund-Feind-Denken, die „Erziehung zum Hass“ gegen den Klassenfeind, Antipluralismus, Autoritarismus, Fanatismus, Kollektivismus, Untertanengeist, Militarismus, Kirchen-, USA-, Israel- und Ausländerfeindlichkeit. Zudem, so der Autor, habe die DDR eine weitgehend areligiöse Gesellschaft hinterlassen.

Angesichts der Vehemenz, mit der Bergsdorf diese Thesen vorträgt, fallen die empirischen Belege allerdings mager aus. So argumentiert der Politikwissenschaftler vage, „selbst kleine Kreise in der PDS“ diskutierten heute über „die geistig-moralische Erblast der SED“. Zur Untermauerung führt er lediglich zwei selbstkritische Zitate aus Zeitungsinterviews mit den Linkspartei-Politikern André Brie und Bodo Ramelow an – und garniert sie mit dem viel gescholtenen „Fremdarbeiter“-Zitat von Oskar Lafontaine und einer Wähleranalyse zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 1998. Damals hatten 23 Prozent der DVU-Wähler mit der Erststimme für die PDS votiert. Man muss kein Fan der Linkspartei sein, um diese Belege unbefriedigend zu finden.

Schade vor allem, dass der Autor nicht auf die Ergebnisse der jüngsten repräsentativen Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung eingeht. Denn die ergab: Von den Deutschen mit rechtsextremem Weltbild wählen mit Abstand die meisten immer noch CDU/CSU oder SPD. ASTRID GEISLER

Harald Bergsdorf: „Die neue NPD. Antidemokraten im Aufwind“. Olzog Verlag, München 2007, 160 Seiten, 14 Euro