Streikbrecher am Pranger

Tarifkonflikt im Einzelhandel: Demo vor Zeitarbeitsfirma, bestreikte Supermärkte jagen Kunden

Der Tarifkonflikt im Einzelhandel nimmt an Schärfe zu. Während sich 800 Streikende gestern Morgen auf den Weg nach Berlin zu einer Kundgebung aufgemacht hatten, rückten mittags mehrere hundert Streikende von Karstadt, Alsterhaus und Kaufhof sowie den Kaufmärkten Toom, Real, Rewe, Penny, Marktkauf und Max Bahr der Firma Kötter in Rothenburgsort auf die Pelle. Die Zeitarbeitsfirma stellt zurzeit insbesondere für die Real-Märkte Streikbrecher zur Verfügung.

Leiharbeitsfirmen sind schon unter normalen Bedingungen ein Problem im Einzelhandel, da das Personal zu Dumpinglöhnen beschäftigt wird und damit feste tarifliche Jobs gefährdet. Bei den Streiks in diesem Tarifkonflikt setzte Real zusätzlich auf die Firma Kötter. Bei jeder Streikaktion wurde das notdürftig angelernte Personal – oft wohl auch gegen dessen Willen – an die Kassen gesetzt. „Streikbrechern muss man auf den Pelz rücken“, sagte DGB-Chef Erhard Pumm bei der Kundgebung in Berlin. „Niemand darf gezwungen werden, Eure Arbeitsplätze einzunehmen.“

Dass Leiharbeit nicht schäbig sein muss, erklärte Bernd Kamin, der Betriebsratsvorsitzende des Gesamthafenbetriebs. Das Unternehmen hat 1.000 Mitarbeiter. „Im Hafen gibt es keine Unterschiede zwischen Leiharbeitern und Festangestellten“, so Kamin. Es gäbe ein Abkommen mit dem Betriebsrat, dass Leiharbeiter nie als Streikbrecher missbraucht werden dürfen. „Das würden wir notfalls vor Ort verhindern.“

Indes suchen Real-Märkte verdächtige Kunden. So wurde Carola Müller (Name geändert) im Real-Markt Berliner Tor Samstag durch einen Hausdetektiv am Einkaufen gehindert. „Er packte mich brutal am Arm“, so Müller „wollte mir den Einkaufswagen wegreißen und forderte mich auf, den Laden sofort zu verlassen“. Auf Nachfrage habe er geantwortet, er habe das Hausrecht. Vor der Polizei gab der Detektiv an, Müller sei auf einer Streikkundgebung vor dem DGB-Haus gesehen worden und sei Rewe-Mitarbeiterin, die alle Hausverbot hätten.

Der Grund seien Vorfälle vom Vortag bei Real auf St. Pauli. Dort hatten sich Kunden mit den Streikenden solidarisiert, indem sie ihre gefüllten Einkaufswagen einfach stehen ließen, als sie merkten, dass Kötter-Personal an den Kassen saß.

KAI VON APPEN