„Niemals ‚Ey Du‘“

Märchen, die von der Macht der Sprache erzählen

■ 40, studierte Pädagogik, ist Vizepräsidentin der Europäischen Märchengesellschaft. Die professionelle Märchenerzählerin arbeitet in der Erwachsenenbildung.

taz: Frau Lutkat, wozu braucht man eine europäische Märchengesellschaft?

Sabine Lutkat: Uns geht es in erster Linie um die Freude an den Märchen sowie ihre Pflege. Wir kümmern uns auch darum, die Märchen weiterzugeben und sie zu erforschen.

Was fasziniert Sie selbst an Märchen?

Die tiefe Wahrheit. Märchen sind Symbolgeschichten und haben eine sehr bildhafte Sprache. Zuhörer fühlen sich bei Märchen oft angesprochen, da sie Probleme aufgreifen, die jeder Mensch hat.

Sie arbeiten als professionelle Märchenerzählerin. Worauf muss man dabei achten?

Das Allerwichtigste ist, dass man Freude dabei hat. Auch sollten die Bilder richtig rüberkommen. Man sollte durch die Art und Weise, wie man erzählt, Bilder im Kopf der Zuhörer erzeugen. Die Stimme sollte dann so benutzt werden, dass sich der böse Wolf oder der Drache auch wirklich gefährlich anhören.

Heute Abend geht es um die Sprache in Volksmärchen. Ist die denn anders als unsere Alltagssprache?

Die Sprache der Märchen ist viel bildhafter. Es kommen keine abstrakten Begriffe vor. Zudem ist es eine gestaltete Sprache, also Dichtung in einem sehr, sehr weiten Sinne. Ein Märchen würde seinen Reiz verlieren, würde man es in Alltagssprache erzählen. Ich würde da nie ein „Ey, Du“ verwenden.

Haben Sie selbst ein Lieblingsmärchen?

Ja, aber das kennen wahrscheinlich die Wenigsten. Es ist ein keltisches Märchen mit dem Namen „Tamlin“. INTERVIEW: TMA

20 Uhr, Rudolf-Steiner-Haus, Mittelweg 11–12