Venezuelas sozialistischer Samurai

Die Gegner der von Venezuelas Präsident Hugo Chávez geplanten Verfassungsreform haben prominente Verstärkung erhalten: Raúl Isaías Baduel, General im Ruhestand und jahrzehntelang Weggefährte des Präsidenten, will dem linken Caudillo nicht mehr folgen.

Vorgestern begann der frühere Fallschirmjäger, der im Juli als Verteidigungsminister abgelöst worden war, seine Tour durch Venezuela. Bis zum 2. Dezember will er dafür werben, dass seine Landsleute beim Referendum „Nein“ zu den geplanten Verfassungsänderungen sagen. Die nämlich kämen einem „Staatsstreich“ und einer Entmachtung des Volkes gleich, meinte Baduel auf einer Pressekonferenz am Montag. Im Gegenzug für die Wohltaten des Staates wolle man das Volk dazu bewegen, die Führung des Landes und die Verteilung seiner Reichtümer ausschließlich der Regierung zu überlassen, kritisierte er und fragte: „Zu welchem Sozialismus will man uns führen?“

Der 52-Jährige war bis vor kurzem selbst glühender Verfechter eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Bereits 1983 hatte er zusammen mit Chávez und zwei weiteren linksnationalistischen Militärs im Schatten eines alten Baumes geschworen zu kämpfen, „bis die Ketten gesprengt sind, die uns nach dem Willen der Mächtigen gefangen halten“. Der Schwur der vier Fallschirmjäger wurde zum Gründungsmythos der Chávez-Revolution, die ab Ende 1998 von der Regierung aus umgesetzt wird.

Im April 2002, während des 48-Stunden-Putsches gegen Chávez, schlug die erste Sternstunde des Fallschirmjäger-Kommandanten: Vom Bataillon Maracay aus forderte Baduel öffentlich, die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen, anderenfalls würden seine Leute eingreifen. Daraufhin vertrieben regierungstreue Soldaten unter dem Beifall zehntausender Chavistas die Putschisten aus dem Präsidentenpalast und bereiteten die triumphale Rückkehr von Hugo Chávez vor.

Von 2004 bis 2006 war der vegetarische General mit den esoterischen Neigungen, der Havannazigarren, orientalische Ikonen und Marienstatuen sammelt, oberster Heereskommandant. Ab Juni 2006 diente er Chávez über ein Jahr lang loyal als Verteidigungsminister. Die demokratische Verfassung von 1999 dürfe nicht ausgehöhlt werden, sagte er jetzt, und: „Die einzige demokratische und legale Waffe, die uns bleibt, ist die Stimme.“ Chávez bezeichnete Baduels Rede als „Verrat an sich selbst“, prominente Chavistas fielen über Baduel her. Der konterte cool mit einem Samurai-Gleichnis: „Wenn du das Geschenk der Beleidigungen nicht annimmst, fällt es auf die Gebenden zurück.“ GERHARD DILGER