Gedenken an Kolonialgeschichte

ERINNERUNG 130 Jahre nach der Kongo-Konferenz in Berlin diskutieren Politiker und Initiativen über Erinnerungsorte in der Stadt und die Umbenennung von Straßennamen

■ Vor 130 Jahren ging die vom deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck nach Berlin einberufene Kongo-Konferenz (15. 11. 1884 –26. 2. 1885) zu Ende.

■ Auf der Konferenz einigten sich das Deutsche Reich, die USA, das Osmanische Reich und elf europäische Mächte darauf, Afrika aufzuteilen. Afrikanische Vertreter waren nicht geladen. Mehr als 30 Millionen AfrikanerInnen wurden dadurch Opfer von Versklavung und kolonialen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

VON FANNY LÜSKOW

Anlässlich des 130. Jahrestags der Berliner Kongo-Konferenz wird wieder mehr über eine aktive Erinnerungskultur in Berlin diskutiert. Nach Auffassung der Afrikanischen Gemeinde in Berlin sei dies bislang vernachlässigt worden. Regelmäßige Diskriminierungen setzten sich mangels Aufarbeitung der Geschichte noch immer fort. „Alltäglicher Rassismus gegen schwarze Menschen ist eine direkte Folge der Kolonialisierung. Leider wird das hierzulande bis heute kollektiv verdrängt“, moniert Moctar Kamara, Vorsitzender des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinde. Mit der Besetzung Afrikas durch europäische Mächte im 19. und 20. Jahrhundert sei ein negatives Bild schwarzer Menschen entstanden, so Kamara.

Dafür möchten die Mitgliederorganisationen des Zentralrats in den kommenden Tagen und langfristig die Öffentlichkeit sensibilisieren. Geplant sind unter anderem ein Gedenkmarsch, Vorträge, Filmvorführungen und ein Konzert. Inhaltlich soll es um zum Beispiel um Racial Profiling und die Errichtung eines Denkmals für die Opfer deutscher Kolonialherrschaft gehen.

Im Mittelpunkt der Diskussion um eine aktive Erinnerungskultur steht der Streit um die Umbenennung von Straßennamen, die Kolonialverbrecher ehren. Die mehr als zehn Jahre währende Kritik kommt von überwiegend schwarzen Menschen, die sich durch die kolonial-rassistische Aufladung der Namen und insbesondere den Begriff „Mohren“ diskriminiert fühlen.

Auf einer Podiumsdiskussion am Mittwoch erklärte Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD), dass es laut aktuellem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) keine Umbenennung der „Mohrenstraße“ gäbe. Stattdessen solle der gleichnamige U-Bahnhof zu einem „Informationsort mit umfassender Darstellung der deutschen Kolonialgeschichte“ werden. Die Umbenennung von Straßen im Weddinger Afrikanischen Viertel stehe auf der Agenda, habe aber durch den Widerstand der CDU bislang noch nicht umgesetzt werden können. Hankes Begründung: „Die CDU hat Angst, in ihrem Lager Wählerstimmen zu verlieren.“ Auch die Grünen hätten den Prozess durch die Forderung nach einem umfassenderen BürgerInnendialog – der prinzipiell aber lobenswert sei – verzögert.

Die Kulturstadträtin des Bezirks Mitte, Sabine Weißler, zeigt sich über die Vorwürfe empört : „Wir setzen uns seit Jahren für die Umbenennung der Straßennamen ein“, stellt sie auf Nachfrage der taz richtig. „Dazu haben wir die AG Geschichte aus dem Kulturausschuss ins Leben gerufen, die einmal im Monat tagt und BVVler mit ExpertInnen zusammenbringt.“ Wichtig sei zudem, dass die verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen aufeinander zugehen und voneinander lernen. AnwohnerInnen müssten über die Hintergründe der Straßennamen informiert werden. „Das braucht Zeit und Gelassenheit“, so die grüne Stadträtin. Erst dann könne man in Verhandlungen treten.

Am morgigen Samstag findet der neunte Gedenkmarsch zur Erinnerung an die afrikanischen Opfer von Sklavenhandel, Menschenhandel, Kolonialismus und rassistischer Gewalt statt. Treffpunkt ist um 11 Uhr an der Wilhelmstraße 92.