KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE
: Eine Reform für die Tonne

Die Steuersenkung ist ein notdürftig verbrämtes FDP-Rettungsprogramm

Es ist kein stimmiger Wurf, mit dem die schwarz-gelbe Koalition die Republik in der zweiten Hälfte ihrer Regierungszeit beglücken will. Eher ein Flickenteppich von Maßnahmen, hastig zusammengestoppelt, bei dem jede Partei den Stofffetzen zuliefern darf, den sie am wichtigsten findet. Die FDP bekommt nach jahrelangem Gezerre ihre Steuersenkung, die CSU darf sich fortan mit einem Betreuungsgeld schmücken, und, ach ja, ein Reförmchen bei der Pflege ist auch noch dabei.

Dabei verhehlt das Paket erst gar nicht, dass es vor allem einem Ziel dient: Nach dem peinlichen Hickhack um die Steuersenkung musste schnell eine gesichtswahrende Lösung für alle Beteiligten her. Die Parteitage von CDU und FDP stehen kurz bevor, die Spitzen mussten wenigstens einen Hauch von Gemeinsamkeit präsentieren.

Jenseits solch taktischer Erwägungen erschreckt, welche Rückwärtsgewandtheit aus jeder Zeile atmet. Die 6 Milliarden Euro schwere Steuersenkung ist ein notdürftig verbrämtes FDP-Rettungsprogramm, dass vor allem deren Klientel, den Gutverdienern, nutzt. Das Betreuungsgeld zementiert nicht nur die klassische Ein-Verdiener-Ehe, sondern beschneidet Chancen: Es bietet bildungsfernen Familien einen Anreiz, ihre Kinder nicht in die Kita zu schicken.

Bei der Pflege versucht die Koalition wortreich, das eigene Scheitern zu übertünchen. Was hatte sie ihren WählerInnen nicht alles versprochen: nicht weniger als den Ausstieg aus dem solidarischen Prinzip in einer Säule der Sozialversicherung, denn genau das wäre die – im Koalitionsvertrag vereinbarte – verpflichtende, kapitalgedeckte Zusatzversicherung gewesen. Eine solche hätte Niedrigverdienern eine vernünftige Vorsorge unmöglich gemacht. Dass sie vom Tisch ist, ist also ein Glück. Man muss dem Gesundheitsminister geradezu dankbar sein: Seine Konzeptionslosigkeit hat das Schlimmste verhindert. Wobei auch die Minireform ihre Tücken hat. Der geplante freiwillige Pflege-Riester dürfte vor allem Allianz und Co. freuen – ist aber ungeeignet, um das riesige Finanzloch in der Pflege zu stopfen.

Bei all dem ist eines auffällig: Viele der schwarz-gelben Maßnahmen sollen erst in der nächsten Legislaturperiode greifen. Wie schön, auch für diese Weitsicht verdient die Koalition ein Lob. So kann eine Folgeregierung den größten Murks zumindest schnell wieder kassieren.