Die Wortkunde

Es ist ein schwacher Hoffnungsschimmer: Auf Betreiben Deutschlands und Frankreichs war in Minsk ab Sonntag eine Waffenruhe zwischen ukrainischer Armee und Separatisten in der Ostukraine vereinbart worden. Sie ist eingetreten, doch nicht überall: Schon kurz nach Beginn der Feuerpause wurde auf beiden Seiten wieder geschossen, noch immer gibt es Tote und weitere Drohungen.

Das Kompositum WAFFENRUHE (Feuerpause, kurzfristiges Aussetzen von Kampfhandlungen) gilt als Vorstufe zu einem längerfristigen Waffenstillstand und möglichst zum Frieden. „Waffe“ (Kampfgerät) geht auf das seit dem 8. Jahrhundert belegte althochdeutsche „wafan“ (Waffe, Schwert) zurück, das vom mittelhochdeutschen „wafen“ (Waffe, Rüstung, Zeichen auf der Waffe, Wappen) abstammt. „Ruhe“ (Ereignislosigkeit, Stille, Entspannung) wurzelt im althochdeutschen „ruowa“ und hat seinen Ursprung möglicherweise im indoeuropäischen „era“ oder „re“ (ruhen, rasten).

Die Waffenruhe in der Ostukraine hat gehalten – etwa 20 Minuten. Aber nichts anderes besagt der Begriff: Eine kurze Rast, um danach gestärkt in den Kampf gehen zu können – so scheinen die Beteiligten das Wort jedenfalls auszulegen.

„Waffenruhe“ ist – wie „geordneter Rückzug“ – ein Begriff aus dem Militär-Lehrbuch, der mit der Wirklichkeit oft wenig zu tun hat, da er von klar definierten Konfliktparteien ausgeht. Beide Lager sind heterogen, die weltpolitische Lage interessiert die Freischärler nicht. „Waffenruhe“ ist der hilflose Versuch, mit Sprache die Realität zu verändern – und die Realität ist leider: Waffen ruhen nicht. ERIK WENK