Deutsche im Jobwunderland

Die Europäische Union macht es möglich: Tausende deutsche Arbeitslose finden im boomenden Dänemark eine Beschäftigung. Die Bezahlung ist gut, dafür ist aber auch die Gefahr, von heute auf morgen seine Stelle zu verlieren, groß

Dänemark hat mit 5,3 Millionen etwas mehr Einwohner als die Pfalz und das Saarland zusammen. Die Arbeitslosenquote lag 2006 bei 3,9 Prozent. Laut OECD-Vergleich ist das weniger als die Hälfte der deutschen Quote von 8,3 Prozent und die zweitniedrigste in der EU. Die Erwerbsquote Dänemarks ist hier mit 77,4 Prozent die höchste. In Deutschland sind es 65 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie die durchschnittliche Arbeitslosigkeit, was immer noch relativ wenig ist. Die über 50-Jährigen stehen auch in Dänemark schlecht da. Viele gehen mit 58 Jahren in Frührente. JAN

VON GERNOT KNÖDLER
UND JAN WEHBERG

Tausende Deutsche treibt die Arbeitslosigkeit ins Ausland. Norddeutsche lockt das nahe Dänemark, das im europäische Vergleich seit Jahren mit besonders hohen Wachstumsraten und besonders niedrigen Arbeitlosenquoten glänzt. Die deutsch-dänische Arbeitsvermittlung Gramark (Grenzüberschreitender Arbeitsmarkt) hat seit Sommer 2001 allein 2.500 Schleswig-HolsteinerInnen zu einem Job im Nachbarland verholfen.

Wenn er die einschlägigen Sendungen im Privatfernsehen sieht, packt Jörgen Jessen das Grausen: Da packten Familien ohne jegliche Qualifikation und Vorbereitung die Koffer ins Auto und rauschten ab ins Glück nach Dänemark. Motto: „Man muss nichts gelernt haben und kein Dänisch können und die dusseligen Dänen geben einem trotzdem Arbeit“ – nichts sei falscher als dieser Eindruck, sagt Jessen, der deutsche Arbeitssuchende für den Kreis Schleswig-Flensburg nach Dänemark vermittelt.

„In Dänemark werden in vielen Bereichen Arbeitskräfte gesucht“, sagt Jessen: Bäcker, Köche, Elektriker, Krankenschwestern. Etwas schwächer sei die Nachfrage nach Maurern und Zimmerern geworden. Voraussetzung für einen Job sei eine Berufsausbildung. Dazu kämen Sprachkenntnisse, auf die in Dänemark größeren Wert gelegt werde als in Deutschland. Jessen vermittelt die nötigen Sprachkurse und Weiterbildungen. „Wir haben eine Kooperation mit großen Kliniken, die qualifizieren deutsche Krankenschwestern nach“, berichtet er.

Die Dänen machen solche Angebote, weil sie nach wie vor händeringend nach Arbeitskräften suchen. Die Arbeitslosenquote war 2006 im OECD-Vergleich halb so hoch wie die deutsche (siehe Kasten). Für dieses Jobwunder wird eine Vielzahl von Ursachen genannt, die auf die politische Diskussion in Deutschland großen Einfluss hatten.

Dänemark finanziert seine Renten- und Krankenkassen nicht über Abgaben der abhängig Beschäftigten, sondern über Steuern. Das macht die Arbeit billiger, während es die Last des Sozialsystems verteilt: Auch Selbständige, Aktionäre und Beamte müssen einzahlen. Die Mehrwertsteuer beträgt 25 Prozent statt 19 Prozent wie in Deutschland. Ein Auto zu kaufen, gilt als Luxus, der mit 180 Prozent besteuert wird.

Für den Arbeitsmarkt haben sich die Dänen das Prinzip Flexicurity ausgedacht – eine Mischung aus Flexibility und Security. Es kombiniert einen Arbeitsmarkt fast ohne Kündigungsschutz mit einer guten Absicherung. Wer arbeitslos wird, erhält vier Jahre lang 90 Prozent seines Lohnes als Arbeitslosengeld. Erst danach rutschen Arbeitslose in die Sozialhilfe. Das Arbeitslosengeld wird allerdings bei einer bestimmten Einkommensgrenze gekappt. 90 Prozent erhalten nur Geringverdiener.

Deutsche treibt aber nicht nur die Not nach Dänemark, sondern auch der Lohn. Während eine Friseurin in Flensburg 4,50 Euro bis sieben Euro die Stunde verdiene, seien es im dänischen Fredericia knapp 19 Euro. Dazu kommen die guten Arbeitsbedingungen im Nachbarland.

Sonja Wehberg lebt seit fünf Jahren in Odense auf Fünen. Für die Statistikerin gäbe es in ganz Europa Jobs. Sie hat es aber nicht bereut, ihren unbefristeten Vertrag bei Schering in Berlin zu kündigen und nach Odense umzuziehen. Hier konnte sie an der Uni ihre Dissertation schreiben: mit einer ganzen Stelle. Davon können ihre deutschen Kollegen meist nur träumen, die halbe Stellen innehaben, von Stipendien leben oder gar kein festes Einkommen haben.

Ihre zwei Kinder sind gut versorgt. Spätestens mit einem Jahr kommen die dänischen Kinder in die Krippe oder zu einer Tagesmutter. Günstig ist das mit rund 500 Euro im Monat nicht, aber der Platz wird staatlich garantiert. Um vier haben die meisten Dänen Feierabend und holen ihre Kinder ab. Der Umgang mit Kindern ist unkompliziert. „Es ist in Dänemark keine Schande, ein wichtiges Meeting um vier zu verlassen, weil die Kinder warten“, sagt sie.

Die Husumer Journalistin Marlies Wiedenhaupt suchte sich einen Arbeitsplatz in Dänemark, nachdem ihre Stelle gestrichen worden war. Die Arbeit beim Nordschleswiger, der Zeitung für die deutsche Minderheit in Dänemark sei sehr spannend, sagt sie. „Es ist ein nettes Arbeiten mit einem sehr menschlichen Arbeitsklima“, sagt Wiedenhaupt.

Weniger angenehm ist für die Journalistin allerdings der weite Arbeitsweg von Husum nach Aabenraa, da so monatlich rund 500 Euro für die Benzinkosten zusammenkämen.