Denken bis in die Fingerspitzen

TRANSFORMATION Spannend, in Francesco Clericis Film „Il gesto delle mani“ das Entstehen einer Bronzefigur zu erleben (Forum)

Was kann an der Anfertigung einer Bronzeskulptur aufregend sein? In diesem Film, den Francesco Clerici in der ältesten Bronzegießerei Italiens gedreht hat, wird bald deutlich, dass es hier nicht um eine Anfertigung geht, sondern um eine Erschaffung, an der unschwer metaphysische Momente auszumachen sind. Die sind im eigenmächtigen und zugleich bescheidenen Zusammenwirken von Händen, Material und Maschinen auszumachen, und von einer Spannung getragen, die den Film bis zum Ende begleitet. Dazu trägt bei, dass kein brustgespannter Herold erschaffen wird; es ist ein liegender Hund, mit rundem Rücken, langen Ohren und einem wachsamen Blick, der als bereits vollendete Figur aus Wachs geduldig dabei zusieht, wie er aus Bronze entsteht.

Bis dahin durchläuft die Hundefigur etliche Aggregatzustände, sie wird Feuer- und Wassertaufen erleben. Man wird sie mit Nägeln und Röhren bestücken, Massen an Ton an ihr auftragen, sie wird gefüllt und begossen werden, und in den Ofen gefahren. Ein Kran wird sie auf den Boden hieven, Hammer und Meisel werden brachial an ihrer Tonschale schlagen, bis alles vor ihr in Trümmern liegt.

Währenddessen sieht man den Händen beim Arbeiten zu und fängt an, sich zu fragen, ob die nicht doch auch denken können. Zumindest wird deutlich, dass sie nicht nur ausführen, was ein Kopf denkt; eher scheint der Kopf in den Händen zu sein und bis in die Fingerspitzen zu reichen. Nichts ist vergleichbar mit ihrer Wendigkeit, Fertigkeit und Feinmotorik. Und mit ihrer Stille. Wollte man Hände fragen, was ihr Traumberuf wäre, sie würden wohl den des Skulpteurs nennen. Denn der erlaubt ihnen, in den Elementen zu sein. Mit Schlamm zu arbeiten, in zähflüssigen Brei hineinzugreifen, ihn durch die Finger zu pressen, zu werfen, zu wiegen, zu betätscheln, zu streichen.

Später wird ein Hund durch die Stadt gefahren und kommt zu anderen Tieren aus Bronze, die Teil einer Kunstausstellung sind. Wer sie betrachtet, sieht nicht, was die Bedingung ihrer Entstehung war, nämlich dass ein innerer Kern sich verlieren musste, um äußere Gestalt zu werden. Der Film begleitet diese Transformation, wird selbst zum Urheber einer kleinen Schöpfungsgeschichte. Und würde der Hund am Ende aufstehen und mit geschmeidigem Gang davonwedeln, es würde einen nicht wundern. MAXI OBEXER

■ Heute, Zoo Palast 2, 19.30 Uhr; 13. 2., CineStar 8, 19 Uhr