„Wir sind Sammler“

KZ-Gedenkstätte digitalisiert Häftlingskartei

■ 55, Historiker, arbeitet im Dokumenten-, Foto- und Filmarchiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.Foto: Doose

taz: Herr Möller, was ist eine Häftlingskartei?

Reimer Möller: Die SS legte Karteien an, um auf ihnen Informationen zu den Häftlingen zu speichern, beispielsweise Angaben zur Person. Während in Buchenwald und Dachau die Häftlingskarteien der SS nach Kriegsende noch vorhanden waren, sah die Situation in Neuengamme anders aus: Dort hatte die SS ihre Spuren weitestgehend verwischt und die Häftlingskarteien vernichtet. Wir arbeiten daran, zu rekonstruieren, wer in Neuengamme inhaftiert war. Wir sind Sammler.

Warum digitalisieren Sie die Angaben?

Um die Massen an Information zu bändigen! In unserer Kartei haben wir aktuell etwa 290.000 Datensätze. In diesen Datensätzen können wir Suchläufe starten, um Menschen ausfindig zu machen.

Zu Ihnen kommen dann Menschen, die deportierte Verwandte suchen?

Ja. Nur wurden damals beispielsweise slawische Namen nach Gehör aufgeschrieben. Das bedeutet, dass wir nicht einfach nur nach einem Namen suchen können, da die Schreibweise auf der Häftlingskartei falsch sein könnte. Wir arbeiten mit mehreren Suchdurchläufen: nach Namen, Häftlingsnummer und Geburtsdatum. So werden wir dann fündig.

Morgen findet eine internationale Tagung zum Thema statt. Was ist das Ziel?

Wir wollen vermehrt mit anderen Gedenkstätten zusammenarbeiten, da die Häftlinge oft zwischen den Lagern hin- und hergeschoben wurden. Unsere Datenbanken zusammenzuschalten, wäre ein tolles Zukunftsprojekt. INTERVIEW: TMA

Internationale Fachtagung zu Digitalisierung von Opferdaten der NS-Zeit: 6. Oktober, KZ-Gedenkstätte Neuengamme