DIE GROSSE TAZ-SONDIERUNGSGESPRÄCHSSONDIERUNG
: Die Kragenweitenanpassung und der Daumendrehtrick

Sondierungsgespräche sind so eine Sache. Die möglichen Koalitionspartner treffen sich hinter verschlossenen Türen. Anschließend treten sie vor die Journalisten und sagen, dass sie nichts sagen. Dem politischen Beobachter bleibt nur eins: die Detailanalyse. Die aber spricht für sich.

Haltungspunkte: CDU-Landeschef Frank Henkel (oben links) posiert wie ein Staatsmann. Offensichtlich hat er vergessen, dass er nicht Helmut Kohl werden soll, sondern nur Stellvertreter des Herrn da rechts am Mikro. Ein Fall von Selbstüberschätzung. Renate Künast (unten links) hingegen hat sich einen Schal mitgebracht. Sie weiß, dass sich ihre Partei warm anziehen muss.

Daumenstellung: Henkel legt die Daumenspitzen sanft aufeinander, die Hände sind zum Gebet gefaltet. Unübersehbar träumt er vom parallel ablaufenden Papstbesuch. Der Mann ist am falschen Ort. Künast verschränkt die Daumen so weit, wie es geht. Sie betet den großen Mann da am Mikro an. Ein klares Zeichen!

Hintermannanalyse: CDU-Landesvize Thomas Heilmann (oben Zweiter von links) erzählt Henkel einen Witz, während Wowereit redet. Quatschen im Unterricht? Ja geht’s noch? Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann (unten Zweiter von links) müsste dringend mal aufs Klo, hält aber geduldig ein. So viel Demut wird Wowereit zu schätzen wissen. Untrüglich aber ist die Geste des kleinen Mannes neben Wowereit. Das ist SPD-Landeschef Michael Müller. Die Grünen betrachtet er mit skeptischem, die Christdemokraten aber würdigt er mit keinem Blick. Alles klar?

Hemdknopfoffenbarung: Die Entscheidung, wen Wowereit mit sich regieren lässt, trifft am Ende aber nur einer: Wowereit selbst. Der zeigt sich Mittwoch wie Donnerstag unverändert – bis auf ein winziges Detail: Neben der CDU ist sein weißes Hemd bis oben zugeknöpft, neben den Grünen ist der oberste Knopf offen. Muss man noch mehr sagen?

Klonfaktor: Eigentlich ist alles längst klar. Aber was macht der Ratzmann da hinten? Mit seinem Style (langes, schmal geschnittenes Jackett mit leicht ausgestellten Schultern, lässig getragenes weißes Hemd) gibt er den perfekten Wowereit-Doppelgänger. Doch dann das: Ratzmann lässt seinen Hemdkragen aus dem Jackett zuppeln – und vermasselt mal wieder alles. So wird das nie was. Fotos: dpa