„Der Theologe kann es nicht“

STREIT David Berger, Chef von „Männer“, steht in der Kritik: Er sei ein Rechtspopulist und fördere falsche Männerbilder

■ Geboren 1968 in Würzburg, Studium der Theologie, Philosophie und Germanistik in Köln, Promotion 1998, Habilitation 2005 an der Katholischen Universität Lublin, Polen.

INTERVIEW JAN FEDDERSEN und Enrico Ippolito

taz: Herr Berger, Sie sind erst seit kurzer Zeit Chefredakteur von Männer – und haben es sich gründlich mit vielen schwulen Journalisten verscherzt. Manchen gelten Sie als Rechtspopulist – weil die Optik Ihres Magazins auf Muskeln, auf Virilität setzt, nicht auf Queerness. Sind Sie Rechtspopulist?

David Berger: Ich wüsste nicht, was attraktive Männer mit Rechtspopulismus zu tun haben sollen. Ein Rechtspopulist bin ich sicher nicht. Und ich sehe auch die vielen schwulen Journalisten nicht, mit denen ich es mir verscherzt haben soll. Es sind die Macher von einigen wenigen Konkurrenzmagazinen und -Internetseiten und deren Umfeld, die eine Kampagne gestartet haben, weil sie permanent in der Angst leben, jemand könnte ihnen die Butter vom Brot nehmen – und diese Angst hat jetzt einen realen Hintergrund. Immerhin ist Männer inzwischen das einzige Bezahlmagazin für schwule Männer, das monatlich erscheint. Und nach Krise oder einem Ende sieht es bei uns so gar nicht aus.

Teilen Sie die Kritik, ein Spießer zu sein, der ein traditionelles Bild vom Schwulen vermittelt?

Nein, ich kann mit diesen Titulierungen nichts anfangen. Man merkt an solchen Vorwürfen die Schwäche der Argumentation der Kritiker an mir und an unserem Magazin. Wir bringen alle Haltungen zum Ausdruck – allerdings auch jene, die vielen schwulen Journalisten nicht passen. Für mich gehört zur journalistischen Arbeit das Anregen von Diskussion, nicht die Definitionen von Wahrheit. Wir wollen keinen drögen schwul-lesbischen Einheitsjournalismus.

Was meinen Sie damit?

Als ich Männer übernommen habe, hätte ich darin schreiben können: „Ihr Arschlöcher, ich finde Schwule ätzend.“ Kein Mensch hätte reagiert, weil es keiner gelesen hätte. Ich bekam ein Medium überantwortet, das keinen Menschen interessiert hat. Die Leute dachten, Männer sei schon längst eingestellt. Das ist nun völlig anders geworden und wirkt sich auf die Auflage positiv aus.

Liegt der ganze Streit also an Ihrer Person?

Nein, das glaub ich nicht, jedenfalls nicht ausschließlich. Unsere ganze Redaktion hat sich vorgenommen, wahrgenommen zu werden und nicht nur für eine kleine Gruppe schwuler Journalisten zu schreiben. Wir wollen eben viele Leute erreichen und so überhaupt eine gewisse Relevanz erlangen. Googeln Sie mal unser Magazin für den Zeitraum der letzten 18 Monate, und Sie werden sich wundern, wie oft wir in den Medien für Aufsehen gesorgt haben!

Wir kennen das Magazin Männer klassisch als Marketingfläche für die Produkte aus dem Bruno-Gmünder-Verlag. Ist sie das nicht mehr?

Wir haben immer noch Eigenwerbung des Verlags im Magazin, warum auch nicht – das machen alle Zeitungen, auch die taz oder die FAZ. Es gab vor meiner Zeit auch qualitativ hochwertige Artikel in Männer, aber den Mut, Debatten anzustoßen, hatte, soweit ich das verfolgen konnte, niemand.

War das schwierig, aus diesem Magazin eine journalistisch wahrnehmbare Fläche zu machen? Sie haben ja nicht als Journalist Ihr Berufsleben begonnen, sondern als Theologe.

Nicht wirklich, weil mir die Themen von außen zugetragen worden sind. Ich habe mich nicht zu Hause hingesetzt und überlegt, was könnte man machen, um wahrgenommen zu werden. Ich habe mir kein Programm ausgearbeitet. Als bekannt wurde, dass ich den Posten übernehmen würde, gab es viel Häme von Menschen, die selbst gerne den Posten gehabt hätten und auch schon schlechte Erfahrungen mit dem Homojournalismus gemacht haben. Ich bin völlig unbeleckt in die neue Arbeit reingekommen und hatte noch keinen Stallgeruch. Für mich war das ein Vorteil: ein Leben auch jenseits der kleinen Zunft schwuler Journalisten verbracht zu haben. Der Theologe kann es nicht, hieß es.

Nun wird an Männer kritisiert, dass nur muskulöse, glatt-geölte-stylishe Männer auf dem Cover abgebildet werden und sie so zum Virilitätswahn beitragen würde.

Mich stört auch das monotone Männerbild, das viele dieser Bilder vermitteln. Ich hatte das Glück, dass ich das aufbrechen konnte. Jetzt machen wir Fotostrecken mit Rothaarigen und Kriegsveteranen, nur zum Beispiel. Daher bin ich auch überzeugt davon, dass das Männerbild in Männer vom Bildprogramm her nie so differenziert und aufgelöst war, wie es derzeit ist. Dass wir trotzdem keinen 70-jährigen Übergewichtigen auf dem Cover abbilden, hängt einfach mit Verkaufschancen zusammen. Das könnten wir machen, aber wir wissen eben, dass wir unter der Verpackung unsere Inhalte nicht mehr verkaufen.

Die Deutsche Aids-Hilfe ist jedenfalls so entsetzt, dass sie keine Anzeigen mehr in „Männer“ schalten will.

Ein Witz! Einer der derzeitigen Chefs der Deutschen Aids-Hilfe, Tino Henn, ist mein ehemaliger Chef als einstiger Herausgeber bei Männer. Er griff früher ständig ein, wenn wir ungewöhnliche Cover haben wollten, etwa einen bärtigen Mann.

Haben Sie denn für Ihre Cover gekämpft?

Nein. Mir war immer klar, dass man mit einem noch so politisch interessanten Titelbild keine große politische Aussage treffen kann. Es geht um den Verkauf, nicht mehr, nicht weniger. Da habe ich lieber den Politikteil im Heft deutlich vergrößert.

Ihr Argument sind Verkaufszahlen. Bedienen Sie also einfach nur eine Leserschaft, die genau diesen Typus Mann auf den Covern haben will?

Unsere Leser wohnen, wenn man bei den Postleitzahlen nachschaut, eher in kleinen Orten. Sie sind zwischen 30, 35 Jahre und 80, 90 Jahre alt. Sie hängen an dem Magazin, und ich habe nicht die Arroganz zu sagen, ich möchte ein ganz anderes machen. Ich sehe mich eher als Dienstleister.

Sehen Sie eine Art Gegensatz in der Diskussion: Kritiker fordern eher ein progressiveres Magazin, Sie selbst wollen eher in Richtung des Advocate gehen, der führenden LSBTI-Zeitschrift in den USA?

So ungefähr. Es ist aber auch, dass wir merken, dass es sich verkauft. Ich kann doch das schönste Buch schreiben, mit den tollsten Inhalten; wenn das aber keiner kauft, was habe ich dann davon? Nichts, dann habe ich einen elitären schwulen Journalismus, aber die Menschen, die diesen Journalismus einfordern, können ihn nicht mehr finanzieren. Man schaue sich DU&ICH an, die versucht hat, queerer zu sein. Und zum Schluss hatten sie nur noch 900 Abonnenten, davon kann aber keine Zeitschrift mehr existieren.

■ Strafe: Im Mai 2011 entzog das Erzbistum Köln David Berger die kirchliche Lehrberechtigung zur Erteilung von katholischem Religionsunterricht, nachdem er 2010 das Buch „Der heilige Schein: Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“ veröffentlicht hatte. Im Internet ist er über viele Jahre vor allem über die Plattform kreuz.net angegangen worden. 2012 übernahm Berger die Koordination der vom Bruno Gmünder Verlag initiierten „Kopfgeldaktion“, um die Kräfte hinter kreuz.net ausfindig zu machen.

■ Stelle: 2013 übernahm er die Chefredaktion des Schwulenmagazins Männer. Er verschaffte sich und den Anliegen der LSBTI-Community (schwul, lesbisch, bi-, trans- und intersexuell) außerdem Aufmerksamkeit, indem er den Ausschluss von Homohassern aus Talkshows forderte.

■ Schein: Berger erntet viel Missfallen für seine Medienpolitik, die Deutsche Aids-Hilfe will keine Annoncen mehr schalten. Etliche seiner Kritiker jedoch schrieben noch für sein Blatt, als dieses längst so war, wie es unter Berger wurde.

■ Sein: Berger ist seit 25 Jahren mit seinem Lebensgefährten, einem Architekten, liiert.

Viele kritisieren Sie, weil Sie sich angeblich als Fürsprecher einer Community gerieren und ständig in Talkshows sitzen?

Eine ganz bestimmte Person hat dies immer forciert und gesagt, dass ich der perfekte Fürsprecher der Community sei. Ohne dass geklärt ist, wer diese Community überhaupt sein soll. Das muss nur jemand sagen, und schon tauchen fünf andere Menschen auf, die ebenfalls gern Fürsprecher sein wollen. Die Auszeichnung in der Siegessäule zur „Nervensäge des Jahres“ betrachte ich als Journalist als Ehrung. Wenn überhaupt, sehe ich mich als kritischer Wegbegleiter der „Community“, der auf Fehlentwicklungen hinweist, und das in einem fragenden Diskussionsstil. Aber selbst das wird mir übel genommen, weil ich angeblich meinen Rechtspopulismus nur in Fragen tarnen würde.

Auf der einen Ebene sind Sie Chefredakteur, auf der anderen sind Sie Journalist, der in seinen Kolumnen gegen die Queer Theory, Bodyphobiker und so weiter schreibt. Wundern Sie sich denn wirklich, dass es Gegenreaktionen gab?

Ich setze bewusst auf bestimmte Inhalte, fahre aber keine Kampagne. Aber es gibt viele Punkte, da haben wir einfach Gesprächsbedarf, zum Beispiel bei der naiven Vorstellung bei 90 Prozent der Schwulen, dass queer nur ein Sammelbegriff für Schwule, Lesben und Trans sei. Aber queer ist mehr und hat auch seine Schattenseiten, das heißt, es gibt auch krasse antiisraelische und homophobe Strömungen in der queeren Bewegung. Die kann ich nicht billigen, und ich erlaube mir, darauf hinzuweisen.

Viele Dinge, die Sie schrieben, und auch Ihre Argumentationslinie werden von Rechtspopulisten aufgenommen.

Da kann ich aber erst mal nichts dafür. Da geht’s mir wie den Anti-Pegida-Demonstranten in Köln, die vergangenen Montag zusammen mit Milli Görüs demonstriert haben. Ich sehe nur ein Problem damit, wenn man so tut, als ob der Kampf gegen Homophobie und Ausgrenzung gleich ist mit dem Kampf, den die Gender-Leute führen. Ich als schwuler Mann sage, ich bin froh, dass es echte Mannsbilder gibt, weil ich eben geil auf Männer bin und nicht auf irgendwelche Zwischenwesen. Ich gestehe jedem zu, so zu sein, aber ich bin froh über die Geschlechtlichkeit, ich möchte nicht, dass sich die schwule Welt in einer Unisex-Toilette auflöst. Und diese Einschätzung teilt die große Mehrheit aller schwulen Männer.

Sie wiederum kritisieren das Verhalten der Deutschen Aids-Hilfe. Kann diese Institution nicht selbst entscheiden, wo sie Annoncen schaltet?

Klar, das darf sie. Aber warum den Anzeigenstopp mit einer Pressemitteilung ankündigen, wenn er so normal ist? Es ging doch vorrangig um etwas anderes, man wollte bewusst eine Kampagne gegen das erfolgreiche Magazin und seinen Chefredakteur starten. Zudem kann die Deutsche Aids-Hilfe ihre Anzeigen nicht nach weltanschaulichem Gutdünken streuen – der steuerfinanzierten Organisation muss es zunächst doch darum gehen, möglichst viele Menschen zu erreichen, um ihre Gedanken zur Prävention zu verbreiten. Was hat denn ein Linker davon, wenn er sich von einem rechten Schwulen eine Syphilis holt, weil die Deutsche Aids-Hilfe davon ausgeht, dass rechte Menschen keine Prävention verdienen?