Stadtgeschichte als Jobmaschine

Leibliches Wohl und Witwenfürsorge: Im St. Jacobus-Packhaus wird nun auch die eigene Vergangenheit gewürdigt

Das Bremer „Geschichtenhaus“, ein Projekt des Bremer Beschäftigungsträgers „bras e. V.“, setzt neue Akzente und erweitert seine stadthistorische Ausstellung um die eigene Geschichte: Als erste Station im St. Jacobus-Packhaus führt sie nun vom Schnoor der Jetzt-Zeit direkt ins Schnoor des 17. Jahrhunderts.

Eine große Karte des Quartiers, Texttafeln und ein Modell des historischen Witwenhauses erläutern die Geschichte der „Jacobi Maioris“-Bruderschaft und des bis 1819 existierenden Witwenhauses, das dann zum Packhaus umgebaut wurde. Kommentiert wird das Material mit Anekdoten vom Heiligen Jacobus Major selbst und einer Witwe, Bewohnerin des Witwenhauses. Die Jacobi-Maioris-Brüder sind eine Gemeinschaft von 12 Männern, benannt nach dem Schutzpatron der Pilger – der zugleich vor Rheumatismus schützt. Besonders religiös seien die Bremer Brüder aber nie gewesen, auch nach Santiago de Compostela seien sie nie gepilgert, erklärt die Religionswissenschaftlerin Sonja Sawitzki, zuständig für die historische Recherche und die Ausstellungstexte.

Bereits die Gründungsstatuten halten den Zweck der exklusiven Bruderschaft fest, deren Mitglieder vornehmlich aus der Kaufmannschaft stammen: Dem leiblichen Wohl frönen und karitativ tätig sein. Kurz nach ihrer Gründung übernahmen die Brüder dementsprechend das Witwenhaus im Schnoor und unterstützten dort zwölf mittellose Frauen. „Ich fand diese Tradition so erstaunlich, gerade bei der protestantischen Kultur in Bremen“, so Ullrich Mickan, Betriebsleiter „Bremer Geschichte“ beim „bras e. V.“, über die Entstehung der Idee. Seit einem guten Jahr schlüpfen im Geschichtenhaus „Ein-Euro-Jobber“ in die Rolle stadtbekannter historischer Figuren wie Heini Holtenbeen oder der Giftmörderin Gesche Gottfried und führen durch die Ausstellung.

Der direkte Kontakt zu den BesucherInnen führe bei den LaiendarstellerInnen schnell zu Erfolgserlebnissen, sagt Mickan. So erlangten sie Schlüsselqualifikationen zurück, die sie im Laufe ihrer meist langen Arbeitslosigkeit zum Teil verloren hätten. Das Geschichtenhaus bietet den DarstellerInnen professionelle Fortbildung im Schauspiel und weitere Qualifizierungen in Hinblick auf Beruf und Arbeitsleben. Die Vermittlungsquote in feste Arbeitsverhältnisse liege bei 25 Prozent, „wir wollen aber 35 Prozent erreichen“, sagt Mickan.

Die Bremer Maioris-Brüder sind bis heute aktiv, unternehmen gemeinsame Reisen und sind karitativ tätig. Vor einigen Jahren besuchten sie auch erstmals die Pilgerstätte Santiago de Compostela, berichtet Sonja Sawitzki – „aber da waren sie mit dem Flugzeug da“.

Teresa Havlicek