Katalanische Baumeister

„Castells – lebende Türme“ (23.15 Uhr, WDR) dokumentiert einen ungewöhnlichen Volkssport

Wenn der Turm zusammenbricht, purzeln als Erstes die Kinder von der Spitze: In Katalonien, Spaniens Provinz rund um Barcelona, ist das dörfliche Vereinsleben ein anderes als in Deutschland. Während in unseren Breitengraden vor allem Schützen- oder Fußballvereine populär sind, versucht man sich hier seit 200 Jahren mit immer höheren Menschentürmen zu überbieten.

In Valls gibt es zwei konkurrierende Gruppen: Die „Colla joves“ (Junger Verein) und die „Colla vella“ (Alter Verein) spalten das Dorf in zwei Lager. Gereon Wetzel und sein Team begleiten die Colla joves eine Saison lang bei Training, Auftritten und Wettbewerben. Der Ehrgeiz der Mitglieder hört nicht beim gemeinsamen Training auf – auch im Kreise der Familie turnen die Kleinkinder auf ihren Eltern herum.

Die technische Planung obliegt hauptsächlich den Männern: Beim gemeinsamen Essen tüfteln sie bis spät in die Nacht Strategien aus, denn sowohl die Größe der einzelnen menschlichen Bausteine als auch die Kräfteverteilung müssen optimal aufeinander abgestimmt sein. Bei aller Perfektion werden die Türme dennoch in den seltensten Fällen fachgerecht wieder abgebaut – meist brechen sie schon zusammen, bevor der kleinste „Bauklotz“ an die Spitze gelangt.

Einfühlsam berichtet der Film von Vertrauen und Zusammenhalt der Vereinsmitglieder, aber auch von Eifersucht und Streit. Und davon, wie die Angst eines kleinen Mädchens den Erfolg der ganzen Truppe gefährdet.

Die Zwischensequenzen zeigen nächtliche Aufnahmen vom ausgestorbenen Valls, in dem außer Menschentürmebauen offenbar nicht viel passiert. Und so ist der Einblick in das Vereinsleben zwar umfassend, bei knapp 90 Minuten Länge allerdings auch zäh: Wie stark der Alltag der Dorfbewohner vom menschlichen Turmbau bestimmt wird, hätte sich auch nach 45 Minuten erschlossen. KERSTIN RUSKOWSKI