DIE AGRAR-INITIATIVEN (3)
: Ferien auf der Massenfarm

Norddeutschland ist das Lieblingsspielfeld der Agrarindustrie. Immer größere neue Stallanlagen sind geplant. Aber die BürgerInnen spielen nicht mehr mit: taz nord stellt Bündnisse, Initiativen und Vereine vor, die sich wehren. Heute: Tourismusförderung in den Brohmer Bergen.

Als idyllische Hügellandschaft mit Alleen und ausgedehnten Wälder liegen die Brohmer Berge im Südosten Mecklenburg-Vorpommerns. Eine ländliche Gegend, in der auf die Entwicklung des Tourismus gesetzt wird und wo sich ein Naturschutzgebiet an das andere reiht. Doch mittendrin, in Klein Daberkow, soll eine riesige Hähnchenmast-Anlage entstehen, für 400.000 Tiere in acht Ställen. Mit 3,2 Millionen Hähnchen pro Jahr wäre das eine der größten Anlagen Deutschlands.

Mitbekommen haben das die AnwohnerInnen nur zufällig, um den Mai 2010. Aus den umliegenden Dörfern kamen sie zusammen, aus Krekow, Voigtsdorf, Schönhausen, Straßburg. Mit fast 50 Leuten gründeten sie die Bürgerinitiative (BI) „Pro Landleben Brohmer Berge“. Lehrer, Rechtsanwälte, Landwirte und Betriebe aus der Tourismusbranche sind dabei: Das größte Hotel am Platz, Schloss Rattey, ebenso die Deutsche Wildtier Stiftung, die in Klepelshagen einen Wildtierpark betreibt, und Petra Sauer. Sie vermietet Ferienwohnungen. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagt sie. „Unsere Gäste wollen Urlaub auf dem Land, nicht auf einer Massenfarm.“

Nicht alle in der BI sind von Anfang an gegen Massentierhaltung gewesen. Vor allem wurde die Zerstörung der Natur befürchtet, es ging ums Geschäft. Das Schlosshotels Rattey lebe von einer intakten Landschaft, sagt dessen Geschäftsführer Karsten Förster. „Wir haben in den Tourismus investiert, eine industrielle Tierproduktion in der Nachbarschaft ist unserem Hotelbetrieb nicht zuträglich.“

Die Mastanlage brächte ungefilterte Abluft, Ammoniak, Keime, Feinstaub und jede Menge Verkehr: Lastwagen würden Futter anliefern, alle 35 Tage wäre eine Mastperiode beendet, zehntausende Hähnchen würden zum Schlachthaus gebracht, neue Küken angeliefert, die Hühnerkacke auf die umliegenden Felder ausgebracht.

Für die etwa 10.000 Tonnen Kot im Jahr aber waren nicht genug Flächen vorgesehen. Die BI brachte Experten aus ihren Reihen in Stellung. Die wälzten die sechs Ordner des Antrags auf eine Genehmigung nach dem Immissionschutz-Gesetz. Mit Rat von Ingenieuren und Juristen brachte sie beim zuständigen Amt für Landschaft und Umwelt in Neubrandenburg die Einwände vor. Der Hähnchenmäster besserte nach und fand weitere Landwirte, die auf ihren Feldern die Exkremente verteilen.

Doch die BI kämpfte weiter, beanstandete Brandschutz, das fehlende Verkehrskonzept und ein mangelndes „Raumfeststellungs-Verfahren“. Nur einen Kilometer entfernt liegt das Naturschutzgebiet Lauenhagener See. Die Abwässer, so die Befürchtung, fließen auch dorthin. Noch wurde über den Antrag nicht entschieden.

Im Frühjahr legte Hotelgeschäftsführer Förster nach und erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Schwerin. Die Tierfabrik nämlich soll offiziell von zwei selbständigen GmbHs betrieben werden, um die staatliche Mittelstandsförderung von insgesamt einer Million Euro einzustreichen. Ohne den Trick, die GmbH zu splitten, wäre sie zu groß für den Zuschuss. Hinter allem aber steht, auch das fand die BI heraus, eine holländische Investmentfirma. Solche „Heuschrecken“ seien nicht erwünscht, sagt Christian Vorreyer vom Wildtierpark.

In den Dörfern regt die Mastanlage viele auf, an Häusern hängen Transparente gegen das „Hühner-KZ“. Mittlerweile geht es der BI auch um Tierschutz. 25 Tiere auf einem Quadratmeter, das sei keine artgerechte Haltung. Der Bau indes steht zur Zeit still, vielleicht wegen der Anzeige, vermutet der Schlosshotelier Förster. Er und die BI würden auch weiter klagen. In ihrem Fall, sagt Förster, wird der Kampf einer Bürgerinitiative nicht am Geld scheitern: Den lokalen Tourismusbetrieben ist die Naturlandschaft viel wert. JPB