Der ständige Häftling

Die syrischen Sicherheitskräfte klingeln nicht, wenn sie jemanden suchen. Sie brechen die Haustür auf. Dies passierte dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt Walid al-Bunni am 5. Mai dieses Jahres, etwa sechs Wochen nach dem Beginn der Proteste gegen das Regime von Baschar al-Assad. Bunni gelang es, zu entkommen, und seither lebte er an wechselnden Orten. Am Samstag wurde der bekannte Oppositionelle zusammen mit seinen beiden Söhnen, dem 19-jährigen Moayad und dem 18-jährigen Iyad, von der Geheimpolizei nördlich von Damaskus festgenommen. Das teilte die syrische Menschenrechtsorganisation Sawasiah mit.

Bunni, 1964 geboren, gehört zu der Gruppe von Reformern, die sich während der kurzen Phase des Damaszener Frühlings nach der Machtübernahme von Assad im Jahr 2000 engagierten. Im September des folgenden Jahres wurde er festgenommen und 2002 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Freilassung engagierte sich Bunni im Rahmen der Damaszener Erklärung von 2005 für einen politischen Wandel, wurde abermals festgenommen, verurteilt und blieb bis Juni 2010 in Haft.

Vor seiner jüngsten Festnahme gab Bunni der Nachrichtenagentur Reuters ein Interview, in dem er insistierte, die Opposition müsse friedlich bleiben. „Es wird mehr Märtyrer geben, aber die Protestbewegung muss gewaltlos bleiben“, sagte er und appellierte an die einfachen Soldaten, die begonnen zu desertieren begonnen hätten, nicht zu den Waffen zu greifen, um die Regimetruppen zu attackieren. „Das Beste, was diese Wehrpflichtigen tun können, ist, nach Hause zu gehen. Waffen zu benutzen wird dem Iran, der Hisbollah und anderen Parteien einen Vorwand liefern, zu intervenieren.“

Für langjährige Aktivisten wie Bunni kam die Protestbewegung der Erfüllung eines Traums gleich. „In der Vergangenheit trauten sich nur einige von uns, Freiheit und Menschenrechte zu fordern“, sagte ein bekannter syrischer Menschenrechtsanwalt, der bis Mai im Knast saß, kürzlich gegenüber Amnesty International. „Nach meiner Freilassung habe ich realisiert, dass meine Forderungen nun die Forderungen des ganzen syrischen Volks sind. BEATE SEEL