Arbeitnehmer dürfen anprangern

MISSSTÄNDE Gekündigte Altenpflegerin siegt vor Straßburger Gericht

BERLIN taz/epd/dpa | Arbeitnehmer, die Missstände in ihrem Betrieb öffentlich anprangern, müssen künftig weniger Angst vor negativen Konsequenzen haben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied am Donnerstag in einem wegweisenden Urteil zugunsten einer Altenpflegerin aus Berlin. Die heute 49-Jährige hatte jahrelang die schlechte Hygiene und die Personalknappheit in ihrer Einrichtung kritisiert und den Arbeitgeber schließlich wegen Betrugs angezeigt. 2005 wurde sie fristlos entlassen. Die Straßburger Richter sahen darin einen Verstoß gegen das Recht auf Meinungsfreiheit. Die Pflegerin war in einem Altenheim der Vivantes GmbH angestellt, die mehrheitlich dem Land Berlin gehört. Vor deutschen Gerichten war die Frau mit ihrer Klage gegen die Kündigung gescheitert.

Opposition und Gewerkschaften fordern nun in Deutschland einen gesetzlichen Schutz von Informanten. „Mutige Arbeitnehmer, die in ihren Unternehmen Missstände oder kriminelle Machenschaften frühzeitig aufdecken, müssen gesetzlich besser geschützt werden“, sagte die Sprecherin für Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion, Anette Kramme. Die Fraktionen von SPD und Grünen kündigten an, nach der Sommerpause Gesetzentwürfe vorzulegen. Auch der Justiziar der Linken-Fraktion, Wolfgang Neskovic, forderte eine gesetzliche Regelung.

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