Liebesgrüße vom Staatsanwalt

Dekadente Kommunalpolitiker oder politisch motivierte Ermittler? In Köln wird über eine Russland-Reise von Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) diskutiert. Ermittlungen eingeleitet

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Die Grenze zwischen Dienst- und Lustreise ist gemeinhin schwer zu definieren. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Königshofen hat vor Kurzem jedoch eine scheinbar plausible Erklärung gefunden, um einen von der Staatsanwaltschaft Köln untersuchten Budapest-Trip auf Kosten der Stadtwerke Essen als rein beruflich zu klassifizieren: „Es kann gar keine Lustreise gewesen sein, meine Frau war ja mit dabei“, sagte Königshofen nach Angaben des Magazins Focus.

Fragen wie der Ruhrgebiets-Christdemokrat Königshofen müssen sich seit gestern auch zahlreiche Lokalpolitiker aus Köln stellen. Auch gegen sie haben die Staatsanwälte nun offiziell Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an von städtischen Gesellschaften organisierten Reisen eingeleitet. Der Vorwurf: Bestechlichkeit.

Besonders interessiert die Ermittler eine Fahrt nach Sankt Petersburg, an der im Juli 2002 auch CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma teilgenommen hatte. Zweck der Reise war die Erkundung der Konzerthauslandschaft in der russischen Stadt – Köln plante zu dieser Zeit einen neuen Kammermusiksaal. Die von der Köln-Musik GmbH getragenen Kosten in Höhe von 72.000 Euro für die zehnköpfige Delegation erscheinen den Staatsanwälten unverhältnismäßig hoch. Während der viertägigen Unterkunft im 5-Sterne-Hotel sollen die Reisenden zudem reichlich Gebrauch von Pay-TV und Minibar gemacht haben.

Oberbürgermeister Schramma, der sich derzeit im Urlaub befindet, reagierte einer Sprecherin zufolge „stinksauer“ auf die Vorwürfe. An der Reise nach Sankt Petersburg habe er aus familiären Gründen zunächst überhaupt nicht teilnehmen wollen und sei nur auf Drängen der Kölner Philharmoniker mitgefahren. „Wenn jemand kein Spesenritter ist, dann Schramma. Der hat ja nicht einmal genug Geduld zum Essen“, heißt es im Kölner Rathaus. Zudem habe der Oberbürgermeister die städtischen Unternehmen bereits vor Jahren angewiesen, den Freizeitanteil ihrer Reisen zu begrenzen.

Laut Kölner Stadt-Anzeiger prüfen die Ermittler neben der Petersburg-Reise Dutzende weiterer Fahrten, etwa im Auftrag der Sparkasse, der Messe oder der Hafengesellschaft. Mitgefahren sind dort fast sämtliche Kölner Politiker – von den Fraktionsspitzen aller Parteien bis hin zu Landtagsabgeordneten von CDU und SPD. Anders als gegen Schramma laufe gegen sie bislang jedoch kein offizielles Verfahren, sagte Oberstaatsanwalt Günter Feld der taz.

Den Verdächtigten gehen die Aktivitäten der Ermittler zu weit: „Wenn Kommunalpolitiker als Aufsichtsräte von städtischen Unternehmen nicht mehr ins Ausland dürfen, werden sie ihrer Arbeitsgrundlage beraubt“, sagt der grüne Ratsfraktionsvize Jörg Frank. Er hält die Ermittlungen für „politisch motiviert“: Weil die schwarz-gelbe Landesregierung im Zuge der Reform der Gemeindeordnung den Spielraum von kommunalen Unternehmen einschränken wolle, würden deren Vertreter unter Generalverdacht gestellt. Zudem seien die Vorwürfe oft unbegründet: Ihm selbst werde etwa eine Toskana-Reise zur Last gelegt, an der er nie teilgenommen habe, sagte Frank. Der CDU-Politiker Rolf Bietmann erklärte, dass Aufsichtsratsreisen „40 Jahre lang akzeptiert“ gewesen seien. Dies müsse so bleiben.

Die NRW-Landesregierung will zunächst die staatsanwaltlichen Ermittlungen abwarten, bevor sie den Politikern Anweisungen gibt. Welche Reisen sind dienstlich und wann können sich Amtsträger strafbar machen? Man beobachte die „komplexen Vorgänge“, sagt Dagmar Pelzer vom Düsseldorfer Innenministerium. Neue Verhaltensregeln für Kommunalpolitiker seien jedoch denkbar.