Kein Mindestlohn per Post

Blaue und rote Post macht der gelben Konkurrenz – mit Stundenlöhnen von zum Teil unter sechs Euro. Auch städtische Einrichtungen sparen so. Verdi sieht die SPD in der Pflicht: Die müsse zumindest hier auf Mindestlöhne achten

Die Schar der Briefkästen in Bremen wächst. Und sie wird bunter. Erst stattete die mit dem Weser-Kurier verbandelte Citipost die Bremer Straßenbahnen mit blauen Postboxen aus und legte eigene Briefmarken auf, jetzt buhlt auch der bislang auf Großkunden beschränkte Private Postdienst (PPD) um Briefe von Pivatleuten und Kleingewerbe – mit eigenen Marken und roten Kästen. Vier Exemplare habe man bereits an und in Kiosken aufgebaut, sagt Niederlassungsleiter Peter Ebert, Ziel sei ein „flächendeckendes“ Netz in ganz Bremen. E-Mails fürchtet er nicht. Bis keiner mehr Briefe schicke, ist er überzeugt, „wird es noch ’ne ganze Weile dauern“.

Bisher jedenfalls wächst das Geschäft. 30.000 Sendungen täglich sortiert die Citipost in ihrem Zentrum an der Duckwitzstraße, PPD, schon seit September 2005 dabei, kommt auf etwa 100.000. Fünf Cent billiger als die Deutsche Post AG ist ein Brief bei Blau und Rot, Geschäftskunden sparen zudem noch die Mehrwertsteuer. Das Zustellgebiet reicht von der Küste bis nach Sulingen (PPD) oder gar bis Zittau (Citipost), und wer regelmäßig mehr als zehn Briefe am Tag verschickt, bei dem holt ein Kurier die Post zuhause ab. Kann man damit Geld verdienen? Ebert sagt: „Auf jeden Fall.“

Den Preis zahlen die ZustellerInnen. 10,54 Euro brutto pro Stunde gibt es laut Verdi bei der gelben Post. Bei PPD verdient man 6,66 Euro. Tariflöhne? „Das geht einfach nicht“, sagt Citipost-Geschäftsführer Matthias Hansen. Man zahle „keine Spitzenlöhne“, räumt er ein. Soll heißen: „um die sieben Euro“.

Das ist nach Informationen von Verdi-Sprecherin Cornelia Knieper noch recht großzügig gerundet. Ein Großteil der blauen BriefausträgerInnen arbeite als MinijobberIn – für 6,15 Euro brutto. Netto ist das ein Stundenlohn von unter sechs Euro. Selbst für „richtig“ Beschäftigte liege der Citipost-Einstiegslohn bei 6,50 Euro, auf sieben Euro komme nur, wer länger als ein Jahr dabei sei. „Wer ist das bei den Löhnen schon?“, fragt Knieper.

Nicht selten, weiß sie, müssten die blau uniformierten BriefträgerInnen statt 30 sogar 50 oder 60 Wochenstunden arbeiten, Geld- oder Freizeitausgleich sei bisher Fehlanzeige. Betriebsräte, die bei der Durchsetzung solcher Ansprüche helfen könnten, gibt es nicht. Schon beim Einstellungsgespräch mache die Geschäftsführung deutlich, dass Ambitionen darauf nicht erwünscht seien.

Erster Großkunde der Citipost und damit Voraussetzung für deren Marktantritt war die Bremer Stadtbibliothek. Die verschickt jedes Jahr rund 60.000 Briefe, meist Mahnschreiben. Städtische Eigenbetriebe seien „gehalten, die günstigsten Dienstleister zu nehmen“, begründet Bibliotheksleiterin Barbara Lison die Wahl – „solange es nicht unmoralisch ist“. Im Vergleich zum Großkundentarif der Post AG spart die Bibliothek mit Citipost rund 1.500 Euro Porto im Jahr.

Geht es nach Verdi, ist es mit solchen Entscheidungen bald vorbei. Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) habe sich im Wahlkampf für einen existenzsichernden Mindestlohn von 7,50 Euro stark gemacht, argumentiert Knieper. Nun müsse er zumindest dafür sorgen, dass der bei städtischen Dienstleistungsaufträgen eingehalten werde. „Wir nehmen Böhrnsen da beim Wort“, sagt Knieper. Selbst die Bundesnetzagentur, für die Lizenzierung der Postdienstleister zuständig, forderte die Politik unlängst indirekt zum Eingreifen auf. „Über den Weg des Tarifrechts oder mit klaren Festlegungen von Mindestlöhnen“ könnten im Postbereich „Mindestarbeitsbedingungen gewährleistet werden“, sagte Präsident Matthias Kurth.

PPD-Niederlassungsleiter Ebert hat da gar nichts dagegen. Voraussetzung sei aber, dass der Staat Briefdienstleistungen systematisch ausschreibe. Mit mehr Briefen im Kasten könne man dann auch einen Mindestlohn „ganz schnell umsetzen“. SIM