RAF-Urteile bleiben unter Verschluss

Generalbundesanwältin Harms verweigert Freigabe der alten Urteile zum Mord an Siegfried Buback für die Presse. Justizkorrespondenten kritisieren, dass die Bundesanwaltschaft eine Bewertung ihrer damaligen Ermittlungen behindert

VON CHRISTIAN RATH

Die Bundesanwaltschaft (BAW) gibt die alten RAF-Urteile nicht heraus. Zahlreiche Presseanfragen, auch der taz, wurden jetzt abgelehnt. Begründet wurde dies mit den „Belangen einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege“.

Das Interesse an den Urteilen zum Buback-Mord ist groß. Mehrere Dutzend Journalisten wollten die Urteile gegen Christian Klar aus dem Jahr 1985 sowie Knut Folkerts aus dem Jahr 1980 nachlesen. Damals waren Klar, Folkerts und Günther Sonnenberg als gemeinschaftliche Täter festgestellt worden. Allerdings hatte inzwischen Michael Buback, der Sohn des Opfers, mehrfach den Verdacht geäußert, damals seien Zeugenaussagen nicht genügend beachtet worden, die auf eine Frau, zum Beispiel Verena Becker, als Schützin hindeuten. Außerdem hatte das ehemalige RAF-Mitglied Peter Jürgen Boock erklärt, dass er von einer Täterschaft des damaligen RAFlers Stefan Wisniewski ausgehe. Inzwischen wurde gegen Wisniewski sogar ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Doch Generalbundesanwältin Harms, die laut Gesetz über eine Freigabe der Urteile zu entscheiden hat, verweigert diese. Der Zugang der Presse zu Informationen bestehe nicht unbeschränkt. Das schriftliche Urteil sei in erster Linie für die Verfahrensbeteiligten bestimmt. Dem öffentlichen Interesse sei durch Berichte aus der öffentlichen Hauptverhandlung ausreichend Rechnung getragen. Konkret befürchtet Harms, dass eine Veröffentlichung die neuen Untersuchungen gefährden könnte. Presseveröffentlichungen, die aus dem alten Urteilen zitieren, könnten das Erinnerungsvermögen von Zeugen beeinflussen. Zudem sei zu befürchten, dass Journalisten zu Zeugen von damals Kontakt aufnehmen, was sich selbst bei einer Anonymisierung der Urteile nicht sicher vermeiden lasse.

Die Justizpressekonferenz Karlsruhe, der Verein der dortigen Gerichtskorrespondenten, hat gestern in einer Erklärung enttäuscht auf die Ablehnung reagiert. „Wir halten diese Entscheidung für nicht nachvollziehbar“, erklären die JPK-Vorsitzenden Wolfgang Janisch (dpa) und Dietmar Hipp (Spiegel), „wir können uns kaum einen Fall vorstellen, in dem das legitime öffentliche Interesse an solchen Urteilen augenfälliger wäre.“ Die Urteile seien nicht nur Beiwerk für die zeitgeschichtliche Aufarbeitung der RAF, sondern zentraler Gegenstand des journalistischen Interesses. Schließlich stehe die Frage im Raum, „ob die richtigen Täter für die Tat verurteilt wurden“. Es habe einen „fahlen Beigeschmack“ wenn die BAW nun eine kritische Berichterstattung über ihre damaligen Ermittlungen erschwere. Die Weigerung gefährde die Persönlichkeitsrecht damaliger Zeugen sogar mehr als die Herausgabe der Urteile. Denn nun würden manche Journalisten sich die Urteile auf anderem Wege, zum Beispiel von damaligen Anwälten, besorgen. In deren Urteilsabschriften seien die Zeugen jedoch gerade nicht anonymisiert.

Die taz und andere Medien erwägen eine Klage gegen die Weigerung der Bundesanwaltschaft.