Die Evolution im Verkehrsstrom

EFFIZIENZ Werden Drohnen künftig Waren liefern? Der entscheidende Wandel findet auf der Straße statt. Forscher setzen auf Elektromobilität und Bewusstseinswandel. Die Hauptstadtregion testet bereits, was möglich ist

In der Region sollen bis 2016 rund 500 neue E-Fahrzeuge auf die Straße kommen

VON LARS KLAASSEN

Berlin wächst: Viele Menschen zieht es hierher, die Bevölkerungszahl wird auch künftig weiter ansteigen. Auch wirtschaftlich geht es hier aufwärts. Beides hat zur Folge, dass sich auf den Straßen immer mehr Menschen und Fahrzeuge tummeln. Hohe Verkehrsdichte nervte in Großstädten schon vor gut 100 Jahren. Damals gingen Stadtplaner unter die Erde, sie bauten U-Bahnen. Heute wird das Blaue vom Himmel versprochen: Als Amazon-Chef Jeff Bezos Ende 2013 ankündigte, er wolle seine Kunden in vier bis fünf Jahren mit Drohnen beliefern, ging diese Nachricht schneller um die Welt als jedes derzeit einsatzfähige Verkehrsmittel. Einen Prototypen der Drohnen präsentierte das Onlineversandhaus sogar schon in einem Video: Das unbemannte Fluggerät holte eine Bestellung im Logistikzentrum ab und landete damit vor einem Haus. Dass es also technisch machbar ist, Waren auf dem Luftweg an Endkunden zu liefern, steht außer Frage.

Neben technischen stehen dieser Vision aber noch rechtliche Aspekte im Wege. Das gilt zum einen für den Luftraum der USA, wo Amazon beheimatet ist und sein Experiment vorführte. In Deutschland, das deutlich dichter besiedelt ist, sind die Hürden entsprechend höher. Ähnlich eng wie auf den Straßen hiesiger Ballungsräume würde es dort über den Dächern, wenn Massen von Drohnen den Lieferverkehr übernehmen sollten. In dünn besiedelten Regionen und unter klar umrissenen Rahmenbedingungen könnten die fliegenden Roboter Nischendienste leisten. Die US-Regierung hat Gesetze für eine zivile Nutzung unbemannter Flugobjekte bereits gelockert: Amerikas zentrale Luftfahrtbehörde prognostiziert, dass solche Drohnen ab 2015 im Einsatz sein könnten.

Eine Lösung für die stetig zunehmende Masse von Warenlieferungen muss aber nach wie vor auf der Straße gesucht werden. Politiker und Planer stehen dabei vor zwei großen Herausforderungen. Das eine Ziel lautet, die vom Verkehr verursachten CO2-Emissionen deutlich zu senken. Für Wolfgang Schade, Projektleiter für das am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) koordinierte europäische Forschungsprojekt GHG-TransPoRD, steht fest: „Um 2030 dürfte die Verbesserung der Effizienz für fossil betriebene Pkw ausgereizt sein. Spätestens dann müssen die alternativen Antriebe einen zuverlässigen und bezahlbaren Ersatz bieten. Dafür müssen sie aber bereits 10 bis 15 Jahre früher in den Markt eingeführt werden, um ihre Kosten zu senken und den Verbraucher damit allmählich vertraut zu machen.“

Seit 2012 fördert die Bundesregierung vier „Schaufenster Elektromobilität“: groß angelegte regionale Demonstrations- und Pilotvorhaben, in denen die innovativsten Elemente der Elektromobilität an der Schnittstelle von Energiesystem, Fahrzeug und Verkehrssystem gebündelt werden. In den Schaufensterregionen werden Projekte mit unterschiedlichsten Schwerpunkten gefördert. Eine der Regionen ist das Internationale Schaufenster Elektromobilität Berlin-Brandenburg. Als zentrale Anlaufstelle wurde 2010 die Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO) gegründet. Sie koordiniert rund 30 Kernprojekte und etwa ebenso viele assoziierte Projekte mit den Schwerpunkten Fahren, Laden, Speichern und Vernetzen.

Eines der Ziele in Berlin und Brandenburg lautet, bis 2016 rund 500 neue E-Fahrzeuge auf die Straße zu bekommen. Das Projekt InitiativE bezuschusst 45 Prozent der Mehrkosten eines Elektrofahrzeuges oder eines Plug-in-Hybriden im Vergleich zum herkömmlichen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Diese Förderung können Unternehmen, Institutionen, öffentliche Einrichtungen und Privatleute aus der Region in Anspruch nehmen. Die Initiative „Baden und Laden“, wendet sich seit diesem Sommer an alle, die mit einem eigenen oder gemieteten Elektro-Auto nach Brandenburg kommen wollen. Dafür wurden Ladepunkte für Elektroautos installiert, die auf der Seite www.badenundladen.de vorgestellt werden und von jedermann nutzbar sind. An Pendler aus dem Südwesten Berlins wendet sich ein Projekt über das Unternehmen den Mitarbeitern Pedelecs zur Verfügung stellen können. Viele der Teilnehmer fahren nun damit zu U- und S-Bahnhöfen, wo sie auf dem Weg in die Innenstadt umsteigen. Wenn diese Teilstrecke am Stadtrand nicht mehr mit dem Auto, sondern mit dem Zweirad zurückgelegt wird, entlastet das den Berufsverkehr und reduziert den Bedarf an Parkplatzflächen.

Für die vier „Schaufenster Elektromobilität“ stellt der Bund insgesamt Fördermittel in Höhe von 180 Millionen Euro bereit. Das Ziel: Eine Million Elektrofahrzeuge sollen bis 2020 auf deutschen Straßen fahren. Zumindest „unter optimistischen Annahmen“ könne dies ohne Kaufförderung erreicht werden. Zu diesem Schluss kommt eine Fraunhofer-ISI-Studie. Auch mit Blick auf das zweite Ziel – trotz steigendem Warenverkehr in den Ballungsräumen einen Verkehrsinfarkt zu vermeiden – ist das Fraunhofer-ISI zuversichtlich: Die Forscher rechnen 2050 nur noch mit 250 Autos je 1.000 Einwohnern, etwa halb so viele wie jetzt. In Städten würden dann vor allem Fahrrad, Bahn oder Bus genutzt.