Angriff auf das Parlament

GRIECHENLAND Generalstreik, friedliche Massenproteste und Randale. Papandreou angeblich zum Rücktritt bereit

„Dieser Platz gehört uns“, skandierten die „Empörten“ in Richtung der Chaoten

VON JANNIS PAPADIMITRIOU

Was alle befürchtet haben, ist am Mittwoch eingetreten: Hunderte Vermummte stürmten den Athener Syntagmaplatz während einer Großdemonstration, mischten sich unter die Menge der Hunderttausend friedlichen Demonstranten und lieferten sich heftige Gefechte mit der Polizei, die massiv Tränengas einsetzte. Mindestens drei Menschen wurden verletzt, über 20 Gewalttäter wurden vorübergehend festgenommen. Mit zwei Meter hohen Sperrgittern hatte die Polizei das Parlament in den frühen Morgenstunden hermetisch abgeriegelt.

Die „empörten Bürger“, die seit drei Wochen täglich nach spanischem Vorbild gegen die Sparmaßnahmen und das Unvermögen der Politiker vor dem Parlament demonstrieren, wollten ursprünglich keinen Millimeter weichen. „Dieser Platz gehört uns“, skandierten sie über Lautsprecher in Richtung der vermummten Chaoten. Am späten Nachmittag wurde der Syntagmaplatz zeitweilig zur Kampfarena und viele Protestbürger mussten vor Tränengas und Gummigeschossen zurückweichen, aber die meisten kamen immer wieder zurück und verteidigten ihre Position.

Randalierer griffen auch den renommierten Athener Journalisten Tassos Telloglou an, der in seinen TV-Kommentaren die Protestaktionen der letzten Wochen kritisiert hat. Telloglou erlitt leichte Kopfverletzungen.

Während draußen der Aufstand tobte und ein Generalstreik das ganze Land lahmlegte, bot Ministerpräsident Giorgos Papandreou nach Informationen aus Regierungskreisen der Opposition seinen Rücktritt an und schlug die Bildung einer gemeinsamen Regierung der „Nationalen Einheit“ vor. Die Parlamentarier hatten zuvor versucht, demonstrativ Gelassenheit auszustrahlen. Sie debattierten routinemäßig über ein neues Transplantationsgesetz. Erst am späten Mittwochnachmittag wurde das neue, drakonische Sparpaket in Höhe von 6,5 Millionen Euro im Wirtschaftsausschuss des Parlaments zur Sprache gebracht.

Doch die Mehrheit der regierenden Sozialisten im Parlament bröckelt weiter: Der nordgriechische Abgeordnete Giorgos Lianis erklärte seinen Austritt aus der Fraktion der Sozialisten, womit Papandreou nur noch über eine Mehrheit von 5 Stimmen im Athener Parlament verfügt.

Lianis ließ verlauten, er habe kein Vertrauen mehr in die Wirtschaftspolitik der Regierung, die das Land in einen Teufelskreis führe. „Die Wahrheit wird dem Volk vorenthalten“, donnerte der ehemalige Journalist.

Man kann diese Aussage als ehrlich gemeinte Selbstkritik gutheißen. Doch man sollte wissen, dass Giorgos Lianis kein Geringerer ist als der Cousin von Dimitra Liani, einer Ex-Stewardess, die in den achtziger Jahren zur First Lady Griechenlands avancierte, als sie den frisch geschiedenen vierzig Jahre älteren Andreas Papandreou, Vater des heutigen Ministerpräsidenten, zum Altar führte.

Daraufhin stand auch ihrem Cousin der Weg in die Politik offen, innerhalb weniger Jahre brachte es Giorgos Lianis sogar zum Sportminister. Oder war das nur Zufall?

Es sind solche Zufälle, die immer mehr Griechen auf die Straße bringen.