Kosovos Zukunft liegt in Moskau

Die Chancen, dass sich Kosovo-Albaner und Serben auf UN-Plan zum künftigen Status des Kosovos einigen, sind gleich null. Im UN-Sicherheitsrat droht Russland mit Veto

Diese Situation erinnert im Kleinen exakt an jene zu Beginn des kroatischen Krieges

PRISHTINA taz ■ UN-Vermittler Martti Ahtisaari nimmt einen neuen Anlauf: Am Samstag wird er seinen überarbeiteten Plan für den künftigen Status Kosovos in Wien erneut den Delegationen der Albaner und der Serben vorlegen. Kosovo wird darin eine begrenzte Souveränität zugestanden, die serbischen Gemeinden und Enklaven im Kosovo werden vergrößert und erhalten eine weitgehende Autonomie, die ihnen sogar direkte Beziehungen zu Belgrad erlaubt.

Einig sind sich alle politischen Beobachter und ausländischen Diplomaten in der Hauptstadt Kosovos Prishtina, darin, dass Serbien den Plan ablehnen und die kosovo-albanische Führung ihn annehmen wird. Sicher ist auch, dass Ahtisaari seinen Plan wahrscheinlich Ende März dem UN-Sicherheitsrat vorlegen wird.

Wie dieser entscheidet, ist noch nicht ausgemacht. Zwar gibt es Stimmen in Belgrad, die davor warnen, von serbischer Seite auf Russlands Veto zu setzen. Man könne den Freunden in Moskau nicht trauen, letztlich würde Russland nachgeben. Skelzen Maliqi, einer der wenigen unabhängigen albanischen Intellektuellen Kosovos, glaubt ebenfalls, dass Russland seinen langfristigen Interessen folgen werde und die seien nicht auf einen Konfliktkurs gegenüber der EU ausgerichtet. Der Plan sei mit der „Kontaktgruppe“ abgestimmt worden, an der neben Russland die USA, Deutschland, Italien, Großbritannien und Frankreich beteiligt sind.

Die meisten politischen Analytiker sowohl auf serbischer wie auf albanischer Seite gehen jedoch davon aus, dass Russland, wie von Präsident Wladimir Putin angekündigt, ein Veto gegen den Plan einlegen wird. Und wie es dann weitergehen könnte, beherrscht schon jetzt die politische Debatte im Kosovo.

Enver Hoxhaj, Mitglied der kosovarischen Verhandlungsdelegation, ist überzeugt, dass dann das Parlament des Kosovos einseitig die Unabhängigkeit Kosovos ausrufen werde. Im Gegenzug, so der kosovoserbische Politiker Oliver Ivanović, würden die Serben des Kosovo in dem Gebiet nördlich von Mitrovica, das an Serbien grenzt, ihre Unabhängigkeit von Kosovo ausrufen.

Diese Situation erinnert im Kleinen exakt an jene zu Beginn des kroatischen Krieges, als nach der Ausrufung der Unabhängigkeit Kroatiens im Juni 1991 die mehrheitlich serbischen Gemeinden Kroatiens die Unabhängigkeit von Kroatien ausriefen, was zum Krieg führte.

Wie könnte aber die Souveränität des neuen Staates Kosovo nach der einseitigen Ausrufung der Unabhängigkeit auf die Serbengebiete ausgedehnt werden? Die Albaner wünschen sich dann, dass die internationale Gemeinschaft den internationalen Streitkräften der KFOR die Sicherung der Grenze zu Serbien überträgt – diese Möglichkeit ist im Ahtisaari-Plan angedeutet. Die USA haben im letzten Herbst Truppen an die Grenze zu Serbien verlegt. Truppen aus den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und anderen Staaten sind in dem Gebiet präsent. Erst einige Monate später würde es der kosovarischen Polizei erlaubt, die Grenzsicherung zu übernehmen.

Für den Serbenpolitiker Oliver Ivanović ist diese Konstellation nicht annehmbar. Serbien und die Kosovo-Serben würden das nicht hinnehmen. Das sind offenbar keine leeren Drohungen, glauben doch westliche Geheimdienste zu wissen, dass serbische Militärs und Polizisten in dem Gebiet um Mitrovica bereits anwesend sind. Die serbische Seite könne, wenn sie wolle, ihre militärischen Strukturen im Kosovo aktivieren. Auch radikale Albaner könnten die verstreuten serbischen Enklaven angreifen, befürchten sie. Zu direkten Konfrontationen wollen es die politisch Verantwortlichen aller Seiten im Kosovo zwar nicht kommen lassen. Die serbische Seite wünscht, dass nach einem Veto Russlands im Sicherheitsrat der Ahtisaari-Plan ruht und die UN-Mission weitergeführt wird. Dann könnte neu verhandelt werden. Das lehnen albanische Politiker und Ahtisaari selbst kategorisch ab. Weitere Zeitverzögerungen bei der Lösung der Statusfrage würde die albanische Mehrheit radikalisieren. Nationalistische Extremisten beider Seiten wollen eine andere Lösung: Das Gebiet um Nordmitrovica sollte zu Serbien geschlagen werden, Kosovo erhielte als Kompensation die im Osten angrenzenden, zu Serbien gehörenden Gebiete um Bujanovac, die mehrheitlich von Albanern bewohnt sind. Doch solche Szenarien kommen für die internationale Gemeinschaft nicht infrage.

Die Lage im Kosovo ist äußerst verzwickt. Soll die Statusfrage friedlich und bald gelöst werden, braucht es dafür ein russisches Ja zum Ahtisaari-Plan im Weltsicherheitsrat. Die künftige Entwicklung im Kosovo wird in Moskau entschieden.

ERICH RATHFELDER