Mehr Frauenpower am Rhein

Köln, Migration und die Ford-Werke sind Stichpunkte im ersten Spielplan: Karin Beier startet am Kölner Schauspiel

Jürgen Kruse in der Schlosserei, Jürgen Pollesch in der Krebsgasse. Dazu Boshaftigkeit und Humor – das könnte den Kölnern gefallen. Nach Düsseldorf hat jetzt auch die Domstadt eine Schauspiel-Intendantin. Karin Beier stellte ihren ersten Spielplan vor. Geprobt wird noch nicht, aber im Oktober findet das Wochenende der Wahrheit statt. Die Multimedia-Metropole will mit ihr wieder in die erste Reihe der deutschen Stadttheater. Da hatte das Kölner Schauspiel nämlich in den vergangenen Jahren den Anschluss verloren.

Die neue Schauspiel-Intendantin, die bereits am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, am Bochumer Schauspielhaus und am Wiener Burgtheater Regie geführt hat, eröffnet mit Friedrich Hebbels „Die Nibelungen“ die Spielzeit selbst. Mit lauter ausländischen Schauspielern. Dazu kommt eine theatralische Nonstop-Installation des dänisch-österreichischen Künstlerduos Signa. In einer Müll-Siedlung werden Schauspieler Tag und Nacht zugegen sein, Zuschauer kommen und gehen. Realität und Fiktion sind aufgehoben. In einer Vitrine lagert der Nachlass der 1913 verschwundenen Martha Rubin, der Titelgeber dieser permanenten Aufführung ist. Dafür wird die Halle Kalk als Spielort fürs Kölner Theater wiederbelebt. „Eine Herzensangelegent“ für die Intendantin, die dort ihre erste eigene Produktion hatte. In ihrer ersten Spielzeit will sie nun „Duftmarken“ hinterlassen und verzichtet dafür nicht nur auf die in der Domstadt beliebten Liederabende, auch auf die für Besucherzahlen obligatorischen Zentralabitur-Stücke. „Dem haben wir uns verweigert“, sagt sie.

Dennoch werde mit Franz Grillparzers „Das goldene Vlies“ (Regie: Karin Beier) und Friedrich Hölderlins „Der Tod des Empedokles“ (Regie: Laurent Chétouane) auch schwere Kost geliefert. Als Kontrast gibt es die notwendige Kölner Selbstbeschau: In „Fordlandia“ greift Tom Kühnel den Streik türkischer Beschäftigter 1973 bei den Kölner Fordwerken auf. Im Projekt „Kölner Affäre“ schickt der lettische Regisseur Alvis Hermanis zwei Ensemblemitglieder auf die Suche nach zwei beliebigen Kölnern, die über einige Monate begleitet werden, um daraus ein Stück zu entwickeln.

Regie-Gäste wie Jette Steckel, Michael Simon oder Jürgen Kruse sollen längerfristig ans Haus gebunden werden. Vinylplattenkenner Kruse urinszeniert ausgerechnet zuerst „Beat Generation“ von Jack Kerouac, das Manuskript, das erst 2005 auf einem Speicher in New Jersey gefunden wurde. „Wir wollen Stadttheater im besten Sinne des Wortes zu machen“, sagt Karin Beier. Mit einem interdisziplinären, internationalen Kontext. Dies „kölnische Profil“ sei allerdings ein Wagnis. PETER ORTMANN