Ein Bauernopfer für Vizepräsident Cheney

Lewis Libby wurde zwar juristisch verurteilt, aber das politische Urteil für Dick Cheney steht noch aus

Keiner der Zeugen hatte konkrete Beschuldigungen gegen Vizepräsident Dick Cheney vorgebracht

WASHINGTON taz ■ Dreimal hatte Sonderstaatsanwalt Patrick Fitzgerald den Exstabschef des Vizepräsidenten, Lewis Libby gefragt, ob er mit seinem Boss, Dick Cheney, darüber gesprochen habe, dass man der Presse die Existenz der CIA-Undercover-Agentin Valery Plame stecken sollte. Plames einziges Verbrechen: Sie ist die Ehefrau des Bush-Kritikers Joseph Wilson. Libby stotterte draufhin, er hätte vielleicht mit Cheney darüber gesprochen, wahrscheinlich aber erst, nachdem die Agentin bereits in der Presse enttarnt worden sei. Fitzgerald gab sich, drei Jahre später, bei der Gesamtbetrachtung des Falls Libby, vor allem über diese Lüge frustriert.

Fitzgerald sparte dann auch nicht mit deutlichen Worten. Seiner Einschätzung nach sei Libby nur das Bauernopfer. Doch keiner der Zeugen hatte während der Verhöre konkrete Beschuldigungen gegen Vizepräsident Dick Cheney vorgebracht. Fitzgeralds Frustration wuchs mit der Erkenntnis, die er nach der Lektüre von Geheimdokumenten aus dem Weißen Haus erhielt. Demnach war Cheney durchaus verantwortlich für die vorsichtig eingefädelte Rufmordkampagne zur Diskreditierung von Wilson.

Diese Informationen konnte der Sonderstaatsanwalt der Jury zwar nicht vorlegen, doch hatten die Jurymitglieder seiner Vermutung wohl insgeheim Folge geleistet.

Laut Fitzgerald hatte Cheney ein Motiv und die Möglichkeit, diese Kampagne zu starten. Cheney, so der Anwalt, sei zutiefst verärgert gewesen über die Anschuldigungen Wilsons gegen seine Person. Wilson hatte Cheney vorgeworfen, die Bedrohung durch Iraks angebliches Atomwaffenprogramm gezielt aufgebauscht zu haben. Und Cheney sei der Erste gewesen, so Fitzgerald, der Libby von Plames Existenz erzählt habe. Cheney habe zudem den Zusammenhang hergestellt zwischen einer Dienstreise Wilsons in den Niger und der Beauftragung dazu durch seine Frau, etwas, was sich später keinesfalls als „private Vergnügungsreise“ herausstellte. Für Fitzgerald ist also Cheneys Rolle als Strippenzieher unumstritten, nur richtig beweisen kann er es nicht. So lässt sich sagen, dass Libby zwar nun juristisch verurteilt wurde, aber das politische Urteil für Cheney noch aussteht. AW