Männer auf freiem Fuß

Nackte Männerfüße in Sandalen sind per se hässlich? Unsinn. Ob leichte Flipflops oder ihre Vorfahren aus Ägypten – viertausend Jahre Kulturgeschichte können sich nicht irren

VON NIKE BREYER

Ob es am Klimawandel liegt? Schon seit einigen Jahren lässt sich eine Umverteilung der Textilien am Körper des männlichen Mitteleuropäers beobachten: Der Gebrauch von Kopfbedeckungen nimmt während der sogenannten warmen Jahreszeit zu, parallel dazu ist das Verhüllen von Bein und Fuß stark rückläufig. Kniekurze Cargohosen und dazu Sandalen sind aus der Sommermode nicht mehr wegzudenken. Dabei ist der ungenierte Gebrauch offenen Schuhwerks seitens der Männer keine Selbstverständlichkeit. Noch vor kurzem galt das Tragen von Sandalen als irgendwie anstößig, wenn nicht gar als Ausdruck von Verwahrlosung. Wie konnte es zu dieser neuen Lässigkeit kommen? Ein Blick auf Morphologie und Geschichte dieser nur vordergründig schlichten Schuhgattung, die sogar einem Filmgenre seinen Namen gab.

Schwang in „Gladiator“ Russell Crowe Schwert und Schild noch in geschlossenen Fantasy-Kampfstiefeln, scheinen mit Wolfgang Petersens „Troja“ und Mel Gibsons „Passion“ die Sandalen in den Sandalenfilm zurückgekehrt zu sein. Jüngst hat Zack Snyder sich in diesem Filmgenre erneut künstlerische Freiheiten genommen: In „300“, seiner digital reanimierten Schlacht bei den Thermopylen, feiert nicht nur comicgreller Manichäismus fröhliche Urständ. Ausstattungsattribute wie Ringe, Ketten, Leibschurze, Speere, Panzer, Blut, aber auch Bauchmuskeln und andere Biomasse erscheinen zu eigenwillig bombastischer Präsenz gesteigert. Sein Held Leonidas, Häuptling der Spartaner, und dessen Gegenspieler Xerxes, der Perserkönig, verblassen dahinter zu Trägermaterial. Bemerkenswerterweise bleiben dabei in den Szenenfotos die unteren Extremitäten der antiken Akteure unsichtbar. Was um so erstaunlicher ist, als Fußbekleidung als quasi klassischer Fetisch in diesem Reigen der Statussymbole eigentlich nicht fehlen dürfte.

Hat am Ende Brad Pitt Snyder traumatisiert? Pitt sei, so heißt es, in seiner „Troja“-Rolle als Achill von Zweifeln an der Makellosigkeit seiner Anatomie geplagt worden, weshalb Hollywoods Frauenschwarm auf einem Bodydouble für seine … Füße bestanden habe. Offenbar – Fetisch hin, Fetisch her – eine männliche Problemzone. Die Sandale scheint ein nicht unbedenkliches Schuhwerk zu sein.

Oberflächlich betrachtet, wirkt das absurd und macht wenig Sinn. Denn als Schuhgattung sind die luftigen Trittlinge uralt. Neben Bundschuhen im Stil der orientalischen Opanke oder des indianischen Mokassins stellen auch Sandalen eine Art Urschuh dar, den sich schon Jäger und Sammler zum Schutz gegen Verletzungen unter die Füße banden – anfangs aus nicht mehr bestehend als einem Stück Tierhaut, Rinde, Stroh oder Binsen. Sandalen finden sich in den allermeisten frühen Kulturen. Eine Mischform aus Socke und Sandale trug etwa auch der 1991 aufgefundene Gletschermensch „Ötzi“. In Japan haben traditionelle Holzsandalen (Geta) und Strohsandalen (Zori) neben modernem europäischem Schuhwerk bis heute überlebt.

Sandalen wurden immer wieder auch symbolisch aufgeladen und damit zu bedeutungsschweren Zeichen. Der Blick auf ihre Geschichte enthüllt eine vertrackte Objektbeziehung zwischen Mann und Sandale im Schleudergang wechselnder Kodierungen. Ihre kulturelle Hochzeit erlebten Sandalen ohne Frage in der griechisch-römischen Antike. Auch im Alten Ägypten waren sie gängige Fußbekleidung. Filigrane Modelle aus Schilf und Bast sind uns durch Steinreliefs und Wandmalereien bis aus der Zeit um 2.600 Jahre vor Christus überliefert. Die Griechen hingegen trugen Ledersandalen, was auch wegen des raueren Klimas Griechenlands plausibel erscheint. Hier waren sie die standesgemäße Bekleidung der freien Polis-Bürger. Sklaven, Bauern und Metöken – Demokratie war eine elitäre Angelegenheit – liefen auf Stroh- und Holzsohlen, wenn nicht barfuß.

Als Griechenland um 300 vor Christus seine politische Vorherrschaft im Mittelmeerraum an Rom verlor, verfiel auch das Prestige seiner Kleidung. Im aufsteigenden Römischen Reich waren Sandalen, entgegen landläufiger Meinung, keineswegs das übliche Schuhwerk. Sie galten vielmehr als kultureller Fremdeinfluss, und die guten Sitten erlaubten ein Tragen lediglich im Haus. In der Öffentlichkeit zeigten sich Senatoren und Patrizier in Calcei, knöchelhohen durchbrochenen Fersenschuhen. Auch hier trug das Volk einfaches Holzsohlenschuhwerk. Als es sich bei Roms edler Jugend schließlich doch einbürgerte, in Ledersandalen auf die Straße zu gehen, empörten sich die sittenstrengen Politiker Cato (234–149 v. Chr.) und hundert Jahre später noch Cicero (106–43) über diese Mode: Sie sei – Skandal! – Ausdruck eines schädlichen Individualismus nach griechischem Vorbild und unterminiere die militärischen Tugenden der Römer.

Nur für das militärische Fußvolk galten besondere Regeln. Hier gehörten Caligae, knöchel- bis wadenhohe Sandalenstiefel, zur Ausrüstung der Legionäre. Dieses derbe Schuhwerk wurde aus einem Stück Leder geschnitten, das kunstvoll geschlitzt und ausgeschnitten, an einer Stelle zusammengenäht und mit einem Riemen in Fußform gezogen wurde. Die schwere Sohle bestand aus mehreren Schichten Rindsleder und war stollenähnlich mit Eisennägeln (Clavigae) beschlagen. Je dicker die Sohle, desto niedriger der Rang – vermutlich weil durchgelaufene Sohlen für gewöhnliche Legionäre bei deren Marschpensum einem Totalausfall gleichkamen. Höhere militärische Ränge trugen wie die Patrizier geschlossene Calcei.

Ein römischer Sandalenträger brachte es dabei zu obszöner Berühmtheit: Gaius Caesar Augustus Germanicus, besser bekannt als Kaiser Caligula. Dieser antike Crossdresser mit sadistischen Neigungen lebte 12 bis 41 n. Chr. und stöckelte nicht nur auf Plateauschuhen für das Theater einher, den sogenannten Kothurnen. Er schreckte auch vor Frauenschuhen, Frauenkleidung und Frauenschmuck nicht zurück und stand außerdem auf Sandalen. Das war in gewisser Weise folgerichtig. Denn Caligula orientierte sich antirömisch am pompösen Personalstil orientalischer Herrscher. Überliefert ist seine Verfolgung der Christen, die er im Kolosseum als makabres Spektakel für die „Unterschicht“ von Raubtieren fressen ließ.

Mit dem Niedergang des Römischen Reiches 400 n. Chr. verschwand auch die Sandale in der Bedeutungslosigkeit. Zwar trugen während des Mittelalters Pilger, Reisende und Bettelmönche minimalistische Modelle, wie man auf einem Gemälde von Massaccio sehen kann. Doch waren sie hier Accessoires der Armut, der Demut und Selbstkasteiung. Innerhalb weniger Jahrhunderte hatte die Sandale eine kulturelle Umschreibung erfahren von einem Bestandteil soldatischer Rüstung zum Zeichen asketischer Weltabgewandtheit. Das mag zum einen eine Reaktion auf die klimatischen Verhältnisse gewesen sein. Man bevorzugte jetzt generell geschlossenes Schuhwerk. Andererseits verweist der Gebrauch neuer Fußbekleidungen wie Stiefel, Bundschuh, Schnabelschuh auch auf einen noch immer nicht restlos erforschten Epochenbruch.

Zwei antike Fußbekleidungen versuchten schon zu ihrer Zeit das funktionelle Defizit der Legionärssandale im kühleren Mitteleuropa zu kompensieren: die sockenartigen Schlupfschuhe Tibialia und der ähnlich geformte Soccus, sprachgeschichtlicher Vorläufer der modernen Socke. Beides waren einfache Fußfutterale aus Wolle, Filz, Fell oder Leder, die allein oder mit Sandalen getragen wurden. Ihren bildmächtigen Niederschlag findet die mittelalterliche „christliche Sandale“ auch in der Kunst. Vor allem Maler der Romantik wie Simone Cantarini lassen auf ihren Leinwänden Mönche bevorzugt in düster wallender Kutte auftreten, unter der ein nackter Knöchel in Sandalen hervorblitzt – Pathos der Askese und zugleich einer subtilen Erotik.

Wie erst kürzlich die Mel-Gibson-Produktion „Jesus – die Passion“ ins Gedächtnis rief, trugen zur Zeit Kaiser Caligulas nicht nur die römischen Soldaten Sandalen, sondern als Angehörige der von Rom beherrschten Völker des Mittelmeerraums auch Jesus und seine Jünger. Möglicherweise leitet sich damit die christlich konnotierte Mönchssandale über die Verehrung der frühen Märtyrer genealogisch von der spätantiken Sandale römischer Satrapenvölker des Vorderen Orients her – wofür auch ihre unrömisch reduzierte formale Gestaltung spricht.

Erst Jahrhunderte später kam im Zuge einer radikalen Umgestaltung von Leben und Kleidermode durch die Französische Revolution die republikanische Römersandale wieder zu repräsentativen Ehren und befreite die Sandale aus ihrer Büßerecke. Infolge des blutigen Sturzes des Adels waren die eleganten Stöckelschuhe des Höflings und der Hofdame nun verpönt. Auf der Suche nach genuin republikanischen Vorbildern besannen sich die Revolutionäre auf die römische Antike und deren militärisches Schuhwerk. Während der Epoche des Directoire und Empire (um 1796–1820) waren für die Bürgerin nun zarte Freistil-Römersandaletten neben flachen Ballerinas de rigueur, mit denen sie ihre republikanische Gesinnung zu erkennen gab. Männliche Postrevolutionäre bevorzugten Holzschuhe oder Stiefel nach dem Vorbild des arbeitenden Volkes, genannt Dritter Stand.

In Deutschland sah man noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wenig Fuß. Für Leibesübungen empfahl der deutschnationale Vorturner Friedrich Ludwig Jahn knöchelhohe Halbstiefel. Und die Sommerfrischler, die Caspar David Friedrich vor Rügens Kreidefelsen träumen lässt, präsentieren sich ebenfalls von Kopf bis Fuß zugeknöpft. Aus dieser Kultur des Steifen und Hochgeschlossenen brach im letzten Drittel des Jahrhunderts eine Bewegung auf, die von schwärmerischer Begeisterung für die Natur und Natürlichkeit, was auch immer man darunter verstand, beflügelt wurde und sich zugleich durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Hygienediskurses (Louis Pasteur, Robert Koch, Max von Pettenkofer) in ihren Forderungen nach einem gesünderen Umgang mit dem Körper bestätigt wusste. So brachte der Allgäuer Pastor Sebastian Kneipp (1821–1897) bei seinen Schäfchen nicht nur Rohkost, Vollkorn und Naturheilkunde in Mode, sondern auch die Kursandale. „Seit drei Jahren ist bei den Wasserkuren in Wörishofen das Sandalentragen eingeführt worden“, notierte er 1894 stolz. „Deshalb ist auch in Wörishofen ein Sandalenverkauf, wie wohl in der ganzen Welt keiner existiert“.

Wem diese temporäre Feierabend-Lebensreform noch nicht genügte, der konnte auch radikaler aussteigen. Berühmt wurde in diesem Zusammenhang die sogenannte Künstlerkolonie Monte Veritá im Tessin, wo sich Bildungsbürger vom Ballast der Zivilisation befreiten und bei Vegetarismus, Lichtarchitektur und Sandalen ihr Heil suchten. Auch als es die Wandervögel „aus grauer Städte Mauern“ ins Grüne zog, trugen Knaben wie Jungmädchen auf diesen Exkursionen Naturformstiefel und alle Arten von Sandalen.

Mit Ende des Ersten Weltkriegs fand dieser erste ökologische Aufbruch sein abruptes Ende und damit auf Jahre hinaus auch der Sandalenboom. Der Geist von Zivilisationskritik und Reform hat jedoch seither in der Sandale Spuren hinterlassen: Die bis vor kurzem gängige Gleichsetzung mit „schlechtem Geschmack“ galt darum weniger dem formlosen Charakter der Sandale (den hat sie mit dem Turnschuh gemeinsam) als der Assoziation mit Aussteigertum und einer als spießig empfundenen Fußhygiene. Auf ehrgeizige Jungmänner, die gesellschaftlich Fuß fassen und auf- statt aussteigen wollen, wirkte sie lange Zeit wie ein rotes Tuch.

Jeder kennt sie, viele tragen sie, kaum einer redet darüber. Entwickelt wurde das berühmt-berüchtigte Tieffußbettmodell namens Birkenstock-Sandale vor 40 Jahren. Eigentlich hatte Karl Birkenstock, Spross einer Schuhmacherdynastie, Anfang der 1960er-Jahre nur eine universell passende „Schuheinlage ohne Schuh“ entwerfen wollen, nachdem der biomechanisch noch unausgereifte Stöckelschuh gerade unzählige Frauenfüße ruiniert hatte. Doch sein Entwurf avancierte überraschend zu einem Unisexklassiker, bei dem sich Fußtrainingseffekte (Zehen müssen greifen, um im Schuh zu bleiben) mit Tragekomfort (leichte, biegsame Korkfußbettsohle) verbinden. Heute gehört der Tieffußbettschlappen zu den meistkopierten Schuhmodellen der Welt – auch wenn das gewöhnungsbedürftige Aussehen, das schockierte Einkäufer anfangs mit „ausgehöhlte Baumstämme“ beschrieben, ihren Erfolg anfänglich bremste. Schon wenige Jahre später entdeckten die Hippies Sandalen als neue Antimode. Neben indischen, mexikanischen, marokkanischen und anderen Ethnomodellen fand auch das orthopädische Modell regen Zuspruch.

Als gute zehn Jahre später die stilistische Innovationskraft der Blumenkinder verblasste und diese von Punks und Poppern als „Althippies“ verlacht wurden, stand mit ihrer auch die Reputation der „Jesuslatschen“ auf dem Spiel. Doch Zuspruch aus den Reihen der Umweltschützer, die sich 1980 zur Protestpartei der Grünen formierten, erschloss ein neues Biotop, in dem Sandalen als ökologische Alternative zum Businessschuh populär wurden.

Die 90er-Jahre brachten einen neuerlichen Popularitätsschub: Nirvana, Pearl Jam und Sound Garden kreierten um 1992 einen neuartigen Düstersound, der zum Soundtrack für den jähen Absturz eines Lifestyles wurde, der schon durch den New Yorker Börsencrash von 1989 merklich an Strahlkraft verloren hatte. Als dann noch Hollywood-Scientologe Tom Cruise und die singende Kabbala-Adeptin Madonna in Birkenstocks gesichtet wurden, fanden sich umgehend Nachahmer. „Grunge“ (Müll) war geboren: Ein moderner Antichic, komponiert aus Flohmarkttextilien und Arbeitskleidung, abgerundet durch Sandalen.

Eine letzte Transformation vollendete die vollständige stilistische Rehabilitierung der Männersandale: ihre Interpretation als pures Kunststoffprodukt in Form der Trekkingsandale. Soweit bekannt, war es der US-amerikanische Outdoor-Ausrüster Teva, der Anfang der 80er-Jahre ein minimalistisches Schläppchen aus PU-Kunststoffsohle plus Nylonriemen entwarf – eine für deutsche Vorstellungen zunächst schwer verdauliche Vernachlässigung von Halt und Fußführung. Doch ihre phänomenale Leichtigkeit und die universale Praktikabilität kamen an und machten Schule. In den Neunzigern wurde dieses Konzept, bis hin zu Nobelmarken wie Gucci und Prada, tausendfach kopiert. Der Trekking-Treter inspirierte darüber hinaus eine ganze Generation von Hybridmodellen, die, halb Schuh, halb Sandale, die sommerlichen Straßen bevölkerten und zu trendiger Sportswear getragen wurden. Bis heute empfehlen Blogs im Internet, die sich mit der Ausrüstung für Pilgerreisen beschäftigen, das Teva-Light-Modell als intelligente Ergänzung zum Wanderschuh – aus rein praktischen Gründen, wegen des geringen Gewichts.

Der Millenniumswechsel brachte schließlich den Bruch: Der eben noch erfolgreiche Techno-Look war mit einem Schlag von gestern und wurde abgelöst von einer neuen, dekadenten Italo-Eleganz. Sandalen für Männer blieben davon zwar unberührt in Mode. Alle „Plaste und Elaste“-Versionen wanderten jedoch zurück in die Sportsortimente. Für die Straße der Großstadt ist seither wieder Leder mit etwas Textil der richtige Stoff. Zehenstegmodelle sind gefragt. Auch Kreuzbandsandalen, wie sie von tibetischen Mönchen getragen werden, und orientalische Pantoletten sind im Kommen, auch wenn der Abu-Dhabi-Touch für den europäischen Geschmack etwas gewöhnungsbedürftig ist. Aber Vorsicht, Kulturschock! Nicht jeder Mitteleuropäer ist spontan in der Lage, in diesen offenen Schlappen auf Anhieb aufrecht und männlich zu laufen, ohne ins Stolpern oder Schlurfen zu verfallen. Das gehört andernorts zwar dazu, ist hierzulande jedoch nicht mit der gewünschten Coolness vereinbar.

Das Schuhwerk ist eben immer schon mit einer angestammten Bewegungskultur verbunden. Diese Tatsache inspirierte unlängst die Fernostkorrespondentin eines rheinischen Handelsblatts zu der interessanten Frage: „Wie lange dauert es, bis sich ein Volk auf eine andere Schuhtradition umgestellt hat? Die Japaner haben den Prozess von der japanischen Sandale auf den westlichen Schuh zumindest noch nicht gänzlich verdaut. Hier wird geschlurft und gestöckelt, was das Zeug hält.“ Die Folge: „Gehberater geben im Fernsehen Tipps, wie man richtig läuft.“ Kulturtransfer hat eben seine Tücken. Erneut kann Japan dies bestätigen: Als sich vor 130 Jahren die japanische Armee anschickte, neben westlichen Uniformen auch westliche Militärstiefel zu adaptieren, soll eine ganze Armee zunächst ins Straucheln gekommen sein.

Zum Abschluss noch eine Empfehlung frei nach Knigge: Schöne, gerade Zehen und sauber geschnittene Nägel sind eine Zier, die nicht nur an antiken Statuen Wohlgefallen erregt. Ohne eine gewisse Basisfürsorge der unteren Extremitäten ist dagegen von forcierter Entblößung der Anatomie abzuraten. Der scheinbare Kompromiss – soll man es aussprechen? –, nämlich eine vernachlässigte Konstitution durch Socken zu kaschieren, entspricht ebenso wenig hiesigem Brauch. Sandalen sind bitte nach Art der Griechen an nackten Füßen zu tragen! Auch wenn wieder einmal andernorts andere Sitten gelten, und etwa das Modell „Socke plus Sandale“ im bereits erwähnten Japan eine jahrhundertealte Tradition hat.

NIKE BREYER, Jahrgang 1955, lebt als freie Journalistin in Marburg/Lahn