PRESS-SCHLAG
: Ein Quantum Fantum

ANHÄNGER Warum Sportartikelhersteller schon mal SC-Paderborn-Trikots für Fünfjährige produzieren können

Im Kindergarten meiner Tochter ist seit der Weltmeisterschaft das Fußballfieber ausgebrochen. Das zeigt sich vor allem an der Kleidung der Fünfjährigen: Das Fußballtrikot ist ein unbedingtes Must-have, ganz vorne sind natürlich Bayern- und Deutschlandtrikots.

Weshalb wohl meine Tochter eines Morgens ihr wahnsinnig schickes Mainz-05-Trikot, das sie von ihrem Opa geschenkt bekommt hat, unsicher in den Händen hielt. „Paul hat gesagt, Mainz ist doof“, erklärte sie ihr Zögern. (Dazu muss man wissen, dass Paul folgende Trikots trägt: Bayern, Dortmund, Real Madrid, Deutschland und Spanien. Also eher ein Gewinnertyp ist, vorsorglich.)

Woraufhin ich ihr einen flammenden Vortrag über das Fantum im Allgemeinen und die Leidenschaft für Mainz 05 im Besonderen hielt und Pauls herablassende Bemerkung als doof abtat. „Es ist viel zu einfach, immer nur für die Besten zu sein“, sagte ich, „man hält nun mal zu seinem Lieblingsverein, komme, was wolle“. Und Benno habe ja auch ein Bremen-Trikot und Lisa eines vom 1. FC Köln. Unsicher, ob meine Tochter wirklich verstand, was ich meinte, sah ich stolz, wie sie ihr Trikot überzog und selbstbewusst abdampfte.

Denn ehrlich gesagt: Einzig die Sache mit dem Bayern-Trikot ist todsicher. Langweiliger Erster seit gefühlten 5.876 Spieltagen, ein 4:0-Sieg gegen Hannover, geschenkt. Aber zumindest sein Borussia-Dortmund-Trikot wird Paul eine Weile im Schrank lassen oder es demnächst zur Altkleidersammlung geben. Für das unbedingte Bedürfnis von Fünfjährigen, immer Bester zu sein, taugt es zurzeit kein bisschen. Sieben Punkte aus sieben Spielen sind eher putzig. Und dann auch noch eine Heimniederlage gegen den bis dahin sieglosen HSV. Da wird der eh schon triumphorientiert veranlagte kleine Fan sich ratzfatz von einem seiner Lieblingsvereine verabschieden – zumindest so lange, bis er wieder ganz vorne mitspielen darf.

Wie glücklich hingegen dürften momentan die wirklich treuen Anhänger der Mannschaften sein, die einigermaßen überraschend in der oberen Tabellenhälfte stehen: zum Beispiel Gladbach, Frankfurt, Paderborn, Augsburg und, tja, Mainz 05.

Untenrum hingegen spielen die eigentlich Großen Ringelpiez mit Anfassen: Schalke, Dortmund, HSV, Bremen. Schneidet man die Bayern oben ab, schickt sie auf den Mond und dreht die Tabelle auf den Kopf: wäre vor der Saison erwartbarer gewesen. Vor allem: die Aufsteiger Paderborn und Augsburg mittendrin. Paderborn gelang am Samstag ein 2:2 gegen den Favoriten Leverkusen – und das in Unterzahl ab der 72. Minute. Dass ein Verein, der bisher hauptsächlich in Amateurligen antrat und der mit 15.000 Plätzen das kleinste Stadion der Bundesligahistorie hat, plötzlich in der Bundesliga mehr als mithalten kann, ist nicht nur für flatterhafte Fünfjährige erstaunlich.

Wird nicht mehr lange dauern und Paul trägt ein Paderborn-Leibchen. JUTTA HEESS