Konfuzius an der Spree

Seit einem Jahr können Deutsche an einem Institut in Berlin Chinesisch pauken

BERLIN taz ■ Eine kleine Kulturrevolution feiert heute ihren ersten Geburtstag: Vor einem Jahr wurde an der Freien Universität in Berlin das erste Konfuzius-Institut in Deutschland gegründet.

Konfuzius-Institute sind akademische Goethe-Institute. Der chinesische Staat finanziert sie teilweise – und zum Teil bestimmt er auch, was dort geschieht. Inzwischen weihen drei weitere Konfuzius-Institute in Erlangen-Nürnberg, Hannover und Düsseldorf Deutsche in die Geheimnisse chinesischer Schriftzeichen ein. Ziel ist es auch, so die Regeln des Pekinger Bildungsministeriums, ein positives China-Bild zu vermitteln, etwa durch Kalligraphiekurse oder Vorträge über traditionelle chinesische Medizin.

Weil die Muttersprache von 1,3 Milliarden Menschen in der dynamischsten Wirtschaftsregion der Welt heiß begehrt ist, ziehen die Konfuzius-Institute viele Lernende an. Ausgerechnet der während der Kulturrevolution verpönte Philosoph aus dem Altertum, der auf Harmonie statt auf Klassenkampf setzte, soll im Auftrag Pekings in aller Welt das China-Bild richten. Konfuzius soll als Namenspatron weltweit 30 Millionen Nichtchinesen zum Erlernen der Sprache befähigen, so die ehrgeizigen Pläne in Peking. In vielen Staaten übersteigt die Nachfrage das Angebot. Der gigantische Kulturaustausch von Süd nach Nord soll das Verhältnis zurechtrücken.

China hat erkannt, dass es den Aufstieg zur Weltmacht nicht allein durch sein Wirtschaftswachstum und das Vetorecht in der UNO schaffen kann. Wichtig ist auch eine auswärtige Kulturpolitik. 2004 wurde deshalb in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul nach dem Vorbild der deutschen Goethe-Institute das erste Konfuzius-Institut eingeweiht. In weniger als drei Jahren folgten weltweit 130 Neugründungen. Geplant waren bis 2010 eigentlich nur 100, aber das Interesse war insbesondere in den USA so riesig, dass Pekings Planwirtschaftler flexibel reagierten.

In Deutschland lernen gerade einmal 10.000 Menschen an Universitäten und Schulen Chinesisch.

Dagmar Yü-Dembski vom Konfuzius-Institut in Berlin erlebt einen regelrechten Run aufs Chinesischlernen. Das betrifft selbst die kostenpflichtigen Kurse für Studenten technischer Fachrichtungen, Geschäftsreisende oder lernwillige Rentner. Gemeinsam mit der Berliner Landesregierung bereitet das Konfuzius-Institut in Berlin derzeit den bundesweit ersten Studiengang Chinesisch fürs Lehramt vor: Immer mehr Schüler, selbst Grundschüler, wollen Chinesisch lernen. Allein in Berlin bieten schon 17 Schulen die Sprache an. Doch weil es weder zentral geregelte Lehrpläne noch Lehrer mit Lehramtsbefähigung für Chinesisch gibt, sind die Lehrer lediglich Honorarkräfte und dürfen keine Abiturprüfungen abnehmen.

Weil China die Konfuzius-Institute teilweise bezahlt, bestimmt der Staat auch, wo es langgeht. So wird etwa die in der Volksrepublik übliche Schriftsprache gelehrt und nicht die aus Taiwan. Um den Einfluss der politischen Ebene in Peking abzumildern, hat das Berliner Institut die Universität in Peking statt einer Behörde als Partner gesucht, erklärt Dagmar Yü-Dembski. „Immerhin werden bei uns Filme gezeigt, die in China nicht gezeigt werden. Aber ein Symposium zum Thema ‚Tibet Free‘ wird es hier nicht geben.“ Zum Kulturaustausch von Süd nach Nord gehört eben auch die Zensur. MARINA MAI