Ein zweiter Schliemann für Preußen

Hermann wer? Als am Dienstag die Nachricht aus dem Hause von Kulturstaatsminister Bernd Neumann bekannt wurde, der Prähistoriker und Archäologe Hermann Parzinger soll ab 1. März 2008 neuer Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) in Berlin werden, waren gleich mehrere Überraschungen perfekt. Mit der Entscheidung für diesen 48-jährigen Münchner, der seit 2003 das Berliner Archäologische Institut leitet, hatte niemand gerechnet. Der Mann ist fast unbekannt, außer in Fachkreisen und angesichts der ohnehin marginalen Stellung, die die archäologische Wissenschaft hierzulande genießt. Überraschend ist aber auch, dass die größte deutsche Kultureinrichtung – zu der 17 große Museen, darunter die Berliner Museumsinsel und das Pergamonmuseum, gehören – nicht nur einen echten Generationenwechsel vollzieht. Mit Parzinger, der den 68-jährigen Klaus-Dieter Lehmann ablöst, kommt zugleich ein neuer Präsidententyp an die Spitze des Megakulturtankers SPK.

Es gibt ein Foto von Parzinger, wie es vom „Bibliothekar“ Lehmann niemals vorstellbar gewesen wäre. Parzinger ist darauf mit Bart, sonnenverbrannt und mit aufgerissenem Hemd abgebildet. Hinter ihm weitet sich eine asiatische Steppe. Ein lässiger Abenteurer, mit einem Hauch von Reinhold Messner, guckt in die Kamera. Aufgenommen wurde das Foto bei einer Ausgrabungsreise und steht nun auf der offiziellen Website des Deutschen Archäologischen Instituts. Das meint was – nämlich Lebendigkeit, welche das Gegenteil von staubtrockener SPK-Luft bedeutet.

Parzinger könnte aber genau der Richtige sein, um die Preußenstiftung mit ihren Museumsplänen, der Neuordnung der Museumsinsel und die Integration der Sammlung Außereuropäischer Kunst im Berliner Schlossneubau in Fahrt zu bringen. Der Archäologe ist hochqualifiziert, hat eine außergewöhnliche Karriere hingelegt und besitzt dazu noch das so genannte Händchen, die Dinge „auszugraben“. Was den verschütteten Problemen bei der SPK, wie etwa ein Konzept für das Kulturforum als Ort für die moderne Kunst, guttäte.

Klar, Hermann Parzinger müsste ab 2008 als Präsident der Stiftung viel sitzen, verhandeln und reden. Ob ihn das ausfüllt, wird man sehen. Seit 1985 ist er outdoormäßig unterwegs, leitete ab 1995 Ausgrabungen in Türkisch-Thrakien, Russland, Kasachstan, Spanien und in Iran. Weltweit bekannt, quasi als zweiter Schliemann, wurde er mit der Entdeckung eines Fürstengrabes mit tausend Goldobjekten aus der skythischen Epoche (7. Jahrhundert v. Chr.) in Sibirien. Es gilt ab 2008 neue Schätze zu heben – mitten in Berlin, aber Outdoor ist out.

ROLF LAUTENSCHLÄGER