Akten, die ein Gericht nie sehen darf

Nicht gerichtsverwertbar: Informationen der Justiz vorzuenthalten, hatte bei Strafverfolgern durchaus Methode

Schon der Begriff ist ein Ungetüm: „Nicht gerichtsverwertbare Unterlagen“. Akten also, die ein Gericht nicht zu Gesicht bekommen soll oder darf. Diese Schlussfolgerung bestätigte gestern auch Bundesanwalt Rainer Griesbaum. Auf die Frage, ob die frühere RAF-Gefangene Verena Becker vor rund 20 Jahren Quelle des Verfassungsschutzes gewesen sein könnte, ging Griesbaum nicht ein – er sprach stattdessen nebulös von eben solchen, vor Gericht nicht verwertbaren Informationen, die vielleicht ein kleiner Kreis in der Bundesanwaltschaft erhalten habe. Das hat durchaus Methode, wie ein Vorgang aus dem Jahr 1994 zeigt. Innerhalb des Bundeskriminalamtes wird gestritten, welche Rolle der V-Mann Klaus Steinmetz tatsächlich spielte, der die Behörden im Juni 1993 nach Bad Kleinen und damit zu den gesuchten RAF-Mitgliedern Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams führte. Bekanntermaßen endete die folgende Polizeiaktion in einem Desaster. Grams und ein Polizist wurden erschossen, Hogefeld kam in Haft. Im Zuge der Ermittlungen erstellte ein Beamter der für Terrorismus zuständigen Abteilung ein Dossier, in dem er Steinmetz nicht mehr nur als Kurier der RAF, sondern auch als „tragendes Mitglied“ der RAF bezeichnet. Durchsetzen konnte sich der Beamte mit seiner Auffassung nicht – der Bericht erhielt den Stempel „nicht gerichtsverwertbar“. Problematisch insofern, weil die Anklagebehörde nach der Strafprozessordnung verpflichtet ist, ihre Ermittlungsergebnisse umfassend und nachvollziehbar vorzulegen.

Als besagtes Papier dann Monate später in der Presse auftauchte, wiesen Bundesregierung und BKA Spekulationen zurück, dass skandalöse Erkenntnisse über den V-Mann unterdrückt worden sein sollen.

In den verschiedensten RAF-Prozessen haben die Verteidiger immer wieder behauptet, mit dem Begriff „nicht gerichtsverwertbar“ würden von der Bundesanwaltschaft ihr nicht genehme Informationen unterdrückt. Um den Vorwurf zu prüfen, müssten die nicht verwertbaren Akten aber erst einmal zugänglich sein.

WOLFGANG GAST