Immer schön sachte!

BABYSPECK Frauen, die nach der Geburt Sport treiben wollen, sollten es vorsichtig angehen. Nach der Wochenbettgymnastik kann mit zusätzlichen Übungen begonnen werden

■ Kurse zur Rückbildungsgymnastik werden von den Krankenkassen übernommen. Und einige Kassen erstatten auch einen Teil der Gebühren fürs Kanga-Training. Dieses neue Fitnessprogramm, bei dem Mütter ihre Babys im Tuch vor dem Bauch tragen, hat die Wienerin Nicole Pascher entwickelt – für Mütter, die ihre Neugeborenen nicht abgeben können oder wollen und sich trotzdem sportlich betätigen möchten. Benannt nach der Kängurumutter bei Winnie Puuh ist Kanga eine Art Mischung aus Aerobic und Kraftübungen, aber schonend für die Gelenke und den Beckenboden. Und auch der Nachwuchs fühlt sich dabei wohl, weil er die Nähe zur Mama spürt.

VON JANA FRIEDRICH

Das Baby ist da – der Bauch aber erst mal auch noch. Das ist normal, stört aber trotzdem viele Frauen. Wie also die überschüssigen Pfunde in den Griff bekommen? Neben bewusster Ernährung ist Sport die beste Option - aber erst, wenn sich der Körper von der Schwangerschaft nachhaltig erholt hat. Ein Hau-Ruck-Training, wie viele Models es uns vorleben, ist für die breite Mehrheit der Frauen völlig unrealistisch. Geduld ist also angesagt.

Für alle sportlichen Betätigungen ist zunächst ein straffer Beckenboden Voraussetzung. Daher muss zuerst mit dem Beckenbodentraining begonnen werden. Wann genau es damit losgehen kann, entscheidet eine Wöchnerin am besten in Absprache mit ihrer Hebamme. Diese hat dafür auch spezielle Übungen parat. Auch die schräge Bauchmuskulatur muss von Anfang an mit trainiert werden. Denn sie sorgt dafür, dass sich die sogenannte „Rektusdiastase“ – ein Dehnungsspalt in der geraden Bauchmuskulatur – wieder schließt und der Bauch dadurch stabiler wird. Allerdings reicht hierfür erst einmal das gezielte „über die Seite aufstehen“ aus, was die meisten Wöchnerinnen noch gut aus den letzten Schwangerschaftswochen kennen. Keinesfalls dürfen zu früh richtige Bauchmuskelübungen gemacht werden. Diese würden zu viel Druck auf den Beckenboden geben und dazu führen, dass er weiter belastet und überdehnt wird, anstatt sich langsam und nachhaltig zu festigen.

Nach dieser ersten Wochenbettgymnastik kann mit zusätzlichen, leichten Entspannungs-und Kräftigungsübungen begonnen werden. Eine Steigerung der allgemeinen Fitness, beispielsweise durch Spaziergänge, ist ebenfalls empfehlenswert. Wenn circa sechs Wochen nach der Geburt die Rückbildung der schwangerschaftsspezifischen Veränderungen abgeschlossen ist, kann mit der eigentlichen Rückbildungsgymnastik begonnen werden. Hierfür gibt es spezielle Kurse. Sie stehen jeder Frau zu und werden von der Krankenkasse bezahlt, sofern sie innerhalb eines Jahres nach der Geburt begonnen werden.

Nach Abschluss des Rückbildungskurses, der ungefähr sieben Wochen dauert, können weitere Sportarten in den Alltag integriert werden: Zum Beispiel Schwimmen, Yoga, Walken, Inlineskaten oder Pilates. Aber immer schön sachte! Es sollte ein sich langsam entwickelndes Programm sein. Sportarten, die den Beckenboden stark strapazieren, wie Joggen, Tennisspielen, Volleyball oder Trampolinspringen sind zu vermeiden, bis sich der Beckenboden wieder hundertprozentig gefestigt hat. Und das kann immerhin bis zu sechs Monate dauern. Andernfalls besteht ein erhöhtes Risiko für mögliche Spätfolgen, wie Gebärmuttersenkung oder Inkontinenz.

Zur Orientierung: Solange bei einer Belastung noch ein „schweres Gefühl im Beckenboden“ entsteht, ist er noch zu labil. Doch auch bei harmloseren Sportarten ist ein vorsichtiges Herantasten angesagt. Noch für die nächsten sechs Monate gilt, dass Gelenke und Bänder relativ locker sind, sodass eine leicht erhöhte Verletzungsgefahr besteht.

Wer es organisatorisch nicht hinbekommt, sein Kind für die Dauer der Sportstunde betreuen zu lassen, kann Kurse mit Baby buchen, oder das Kind gleich ins Sportkonzept mit einbauen, wie zum Beispiel beim Kangatraining. Für eine sportliche Betätigung ist letztlich aber gar keine feste Gruppe, geschweige denn ein Sportstudio nötig. Man kann einfach neben seinem Kind eine Yogamatte oder Decke ausrollen, und allein oder zusammen mit dem Baby Übungen machen. Jede Einzelne hilft. Aber besser geht es natürlich mit anderen gemeinsam: Dann kann man sich auch mal gegenseitig über den inneren Schweinehund hinweghelfen und es macht auch einfach mehr Spaß.

Für alle sportlichen Betätigungen ist ein straffer Beckenboden Voraussetzung

Stillende Mütter sollten beim Sport einen gut sitzenden Sport-BH tragen, um damit für optimalen Halt zu sorgen. Sonst kann es, je nach Füllstand der Brust, sehr unangenehm werden. Die gute Nachricht für alle stillenden Frauen ist übrigens: Beim Stillen werden täglich 300 bis 700 Kilokalorien mehr verbraucht. Wenn man sich während der Stillzeit also nicht besonders kalorienreich ernährt, nimmt man quasi automatisch ab.

Beim Sport ist es wichtig, stets auf den eigenen Körper zu hören. Bei Schmerzen sollte das Training sofort unterbrochen und mit einem Arzt über mögliche Ursachen gesprochen werden. Dies gilt insbesondere für Frauen mit Schnittentbindungen, die sich insgesamt etwas langsamer und vorsichtiger an sportliche Betätigungen heranwagen sollten. Im Zweifelsfall immer nur nach Rücksprache mit der Hebamme oder dem Arzt weitermachen.

Was die überschüssigen Pölsterchen betrifft, kann man sich an folgender Faustregel orientieren: Es dauert genauso lange sie loszuwerden, wie es dauerte sie anzusammeln. Und die Überfliegerin, die schon nach drei Monaten wieder topfit ist, ist die Ausnahme. Man sollte seinem Körper einfach gute neun Monate Zeit geben und ihn dabei mit Wohlwollen betrachten: Er hat Großes geleistet!

■ Jana Friedrich ist seit 16 Jahren Hebamme in Berlin und schreibt unter www.hebammenblog.de über Themen rund um Schwangerschaft und Geburt.