DOMINIC JOHNSON ÜBER INTERNATIONALE ERMITTLUNGEN IN ZENTRALAFRIKA
: „Nie wieder“ ernst nehmen

Die brutale, entfesselte Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik in der ersten Hälfte des Jahres grenzte an Völkermord. Aufgehetzte Milizionäre mit Macheten gingen in der Hauptstadt Bangui auf die Jagd nach Muslimen, zerhackten sie, verbrannten sie, kesselten sie ein, vertrieben sie wie Ungeziefer. Dass internationale Medien und Soldaten danebenstanden, kümmerte sie nicht, schien sie teilweise sogar noch anzustacheln. Denn sonst tat ja nur selten jemand etwas dagegen, und zuvor hatten schließlich muslimische Rebellen systematisch feindliche Bevölkerungsgruppen mit Terror überzogen. Zentralafrika ist heute ein blutgetränktes, gebrochenes, traumatisiertes Land.

Was können in einer solchen Situation Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs bewirken? Die Ermittler werden kaum unabhängig arbeiten können, denn alle Täter sind auf freiem Fuß und militärisch weiterhin aktiv. Einen funktionierenden Staat, der Sicherheit bietet, gibt es nicht mehr. Die im Aufbau befindliche UN-Blauhelmmission dürfte es ebenso wenig wie andere UN-Missionen in Afrika als ihre Aufgabe sehen, mutmaßliche Straftäter aufzuspüren und dingfest zu machen – sie ist ja zur Friedenssicherung da, nicht um Ärger zu machen. Viele Zeugen und Überlebende der Gewalt sind tot, unerreichbar, geflohen oder schutzlos.

Trotzdem ist der Beschluss der Anklagebehörde in Den Haag richtig. Gerade weil die Gewalt in Bangui 2014 den Horror von Ruanda 1994 wieder vergegenwärtigt hat, muss das internationale Bekenntnis „Nie wieder!“ ernst genommen werden. Es liegt jetzt an den Interventionsmächten in Zentralafrika, die Ermittlungen zu schützen und die Verbrecher des Landes nicht im Namen einer kurzsichtigen Befriedung mit Straflosigkeit und Regierungsposten zu belohnen.

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