kurzkritik: „Michael Kohlhaas“ am Schauspielhaus
: Fader Tod eines Pferdehändlers

Leitz-Aktenordner knallen massenweise von der Decke auf die Bühne. Fernseher mit Flimmerbild schweben im Raum. Riesige Pferdeschatten überragen die Szenerie. Mit großem multimedialen Aufwand hat die Regisseurin Crescentia Dünßer „Michael Kohlhaas“ auf die Bühne gebracht. Doch die Effekte lenken von der ethischen Kernproblematik in der berühmten Novelle von Heinrich von Kleist ab: Kann, darf erlittenes Unrecht Gewalt und Mord rechtfertigen?

Die fünf SchauspielerInnen erzählen die Geschichte von A bis Z. Wie ein Chor, der mal bestimmte Sätze fugenartig versetzt wiederholt, dann wieder in Solopassagen mündet. Abwechselnd nehmen sie die Perspektive des Pferdehändlers Kohlhaas ein oder erzählen beobachtend. Am stärksten sind die Szenen, in denen nur das gesprochene Wort wirkt – doch das passiert zu selten. Zu oft muss Bettina Kerl zudem ihrem Mitakteur Tim Grobe auf den Schoß springen, zu demonstrativ essen die ErzählerInnen gemeinsam am Plastiktisch, zu peinlich die Szene, als die drei Männer ächzend drei leblose Frauenkörper tragen.

Mit ihrem Aktivismus scheint die Inszenierung zu fliehen vor Kohlhaas’ Ambivalenz, gleichzeitig Mörder und Held, Widerstandskämpfer und Attentäter zu sein. Klarere Bezüge auf derzeitige RAF-Diskussionen und der Mut, das ethische Dilemma wirklich anzupacken, hätten das Stück stärker gemacht. KATRIN JÄGER

nächste Vorstellungen: 27. 4. + 3. 5., 20 Uhr, Schauspielhaus