Globalisierung in Franken

Finanzinvestoren haben den fränkischen Bremsenhersteller FTE übernommen. Die Gewinne fließen ab, investiert wird nicht

VON NIKOLAI FICHTNER

Jürgen Hennemann wäre bestimmt ein guter Unternehmer geworden. Jedenfalls redet er wie einer: von Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen und der Sorge um die Zukunft seines Unternehmens. Aber der 43-jährige Hennemann ist kein Unternehmer. Er ist Betriebsrat beim Automobilzulieferer FTE Automotive im fränkischen Ebern, dem Weltmarktführer für Bremsen und Kupplungen.

Seit vor fünf Jahren die internationale Finanzwelt in Ebern eingebrochen ist, ist nichts mehr wie zuvor. Früher reichten den Eigentümern aus dem benachbarten Schweinfurt auch mal drei Prozent Rendite. „Heute erwarten die Eigentümer eine zweistellige Rendite“, sagt Hennemann. Früher kamen die Manager aus der Region, heute fallen die wichtigen Entscheidungen in Paris. Und früher gab es vor Weihnachten für alle Betriebskinder ein großes Fest.

Doch wenn Jürgen Hennemann von der Vergangenheit redet, dann geht es ihm nicht um alte Besitzstände. Er sorgt sich um die Zukunft. Zum Beispiel die der Bremsschläuche: „Die bisherige Fertigungsmaschine ist technologisch noch auf dem Stand der siebziger Jahre“, sagt er. Um den Standort zu sichern, bräuchte man dringend eine neue Maschine. „Aber die Investition wird immer wieder zurückgestellt“, klagt Hennemann. Demnächst, fürchtet er, produzieren andere die Bremsschläuche besser und billiger als der Weltmarktführer aus Ebern.

Im Jahr 2002 übernahm der britische Finanzinvestor HgCapital den mit 2.000 Mitarbeitern größten Arbeitgeber der Region. Kaufpreis damals: 180 Millionen Euro. Zweieinhalb Jahre später verkaufte HgCapital an den Pariser Finanzinvestor PAI Partners – für 370 Millionen. Die Londoner jubelten: Die Rendite war riesig und zudem viel größer als die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis. Denn zum Geschäftsmodell von Private Equity gehört, den Großteil des Kaufpreises über Kredit zu finanzieren. Abbezahlt wird er vom gekauften Unternehmen selbst. Die Mitarbeiter von FTE hatten also innerhalb von zweieinhalb Jahren die 180 Millionen Euro Kaufpreis aus dem laufenden Geschäft abbezahlt. Wie viel sie an die neuen Eigentümer, die französische Private-Equity-Gesellschaft PAI, zahlen müssen, weiß auch Hennemann nicht. PAI schweigt über die Höhe des aufgenommenen Kredits.

Mirko Meyer-Schönherr, Deutschlandchef von PAI-Partners, versichert, dass PAI an einer „langfristigen Wertsteigerung bei FTE interessiert“ sei. Jürgen Hennemann ist auch an Langfristigkeit interessiert. Aber er würde die Gewinne lieber in neue Maschinen investieren, als damit Schulden abzubezahlen. Wenn die FTE-Manager in Ebern eine neue Maschine kaufen wollen, müssen sie PAI in Paris fragen. Die Franzosen halten Beteiligungen üblicherweise vier bis sechs Jahre – dann sollte sich eine Investition spätestens amortisiert haben. Als FTE noch Kugelfischer hieß, hatte man auch mal zehn bis zwanzig Jahre Zeit, wenn eine Investition das Unternehmen zukunftssicherer gemacht hat. Heute jedoch ist kein Geld für neue Maschinen da, klagt Hennemann, die alten Maschinen müssen also länger laufen: 24 Stunden, sechs Tage die Woche. „Die investieren nur noch in das, was man zum Abarbeiten der Kundenaufträge unbedingt braucht.“

In Ebern haben Gewerkschaften, Kirchen und Verbände wie zum Beispiel die Einzelhändler ein soziales Bündnis gegründet. Wenn am Wochenende die EU-Finanzminister in Berlin über Finanzmarktstabilität diskutieren, dann wird auch Jürgen Hennemann anreisen. Auf dem „Alternativen Ecofin Kongress“ will er berichten, was Ebern über die Globalisierung gelernt hat.