Jesus und ich
oder Wie ich beinahe die Welt gerettet hätte

Am Strande von San Agustín war’s, wo mir Jesus Christ erschien. ch lag im Sand, tat nichts und döste, als er sich aus dem Schatten löste.

Die Welt versank in großer Ruh. Er schwebte förmlich auf mich zu und strich sich durch sein Lockenhaar, das auch noch voller Dornen war.

„Mensch Jesus!“, rief ich, „alte Socke!komm ran hier, Alter, und dann hocke,dich auf mein Handtuch her zu mir. Willst du was rauchen? Oder ’n Bier?“

Ein Wink von ihm gebot mir Stille. Sein Blick so mild, doch voller Wille, traf auf den meinen. Leise sprach er Folgendes zu mir hernach:

„Ich weiß, du bist ein guter Mann, dem jeder Mensch vertrauen kann,der streng nach den Geboten lebt und stets das Gute nur erstrebt.“

„Drauf kannst du deinen Arsch verwetten!Mich find’st du nie in fremden Betten! Ich lüge nicht, bin auch kein Dieb, hab’ meine Eltern schrecklich lieb!“

„O ja, ich weiß – ganz sicherlich! Drum hab ich diesen Wunsch an dich: Du sollst mit mir die Welt durcheilen und retten, beten, trösten, heilen.“

Mein Reden war nicht aufzuhalten: „Hab’ keinen Gott – nebst deinem Alten!Die Feiertage ehre ich! Nichts, was nicht mein, begehre ich!

Und weißt du, Jesus – ungelogen: Seh ich so ’n Arsch, der ungezogenKarfreitag Party macht und fetet,nicht in der Kirche sitzt und betet,

oder ’nen andren, der vielleicht bei Nacht ums Einkaufszentrum schleicht,um den Herrn Aldi zu berauben, dann seh’ ich rot! Das kannst’ mir glauben!

Besteigt einer des Nachbarn Frau und wird erwischt, die alte Sau, legt seinen Nächsten gar noch um ich sag’ dir: dann wird’s mir zu dumm!

Solche Typen möcht ich packen!Ihnen Arm und Kopf abhacken! Ihnen Dunkelhaft verpassen!Sie im Loch verhungern lassen!

Möcht’ sie in die Wüste schießen, wo, gleich Fleisch an Kebabspießen, sie verschmoren! Nein – noch krasser:Eisenschuh’ – und ab ins Wasser!

Jesus!? Was ist los mit dir? Warum läufst du weg von mir? Bleib doch stehen, Gott sei’s verflucht! Bin ich nicht das, was du gesucht?

Dann hau doch ab! Such dir ’nen andern!Und mit dir wollt’ ich die Welt durchwandern! Du taugst doch nichts, mein lieber Schwan:Schau dich Sandalenfurz doch bloß mal an!“

Jörg Borgerding