„Wir werden die Immigranten aufhalten“

REBELLEN Abdul Hafiz Ghoga, der Vizepräsident der Aufständischen, über ihre Zusammenarbeit mit Berlusconi und ihr Verhältnis zu den Golfstaaten

■ lebte vor dem Aufstand als Menschenrechtsanwalt in Bengasi und ist Vizepräsident des Nationalen Übergangsrates.

taz: Herr Ghoga, wie soll es in Libyen weitergehen?

Abdul Hafiz Ghoga: Der Nationale Übergangsrat wartet nicht den Ausgang des Krieges ab, sondern arbeitet am Aufbau des neuen libyschen Staates mit demokratischen Institutionen, Pressefreiheit usw. Und das nicht nur in den befreiten Gebieten, sondern auch im Westen.

Sie sind auch in Tripolis tätig?

Wir können keine Namen nennen, da das die betreffenden Personen gefährden würde. Aber es sind viele. Wir verstehen uns als Regierung ganz Libyens. Wir sind diplomatisch aktiv, um Anerkennung und Hilfe aller Art zu organisieren: Güter des täglichen Bedarfs für die Bevölkerung und Waffen für unseren Kampf.

War der Chef des Übergangsrats, Mustafa Abdul Dschalil, deshalb kürzlich in Rom?

Präsident Dschalil hat die drei Länder besucht, die den Übergangsrat als legitime Regierung Libyens anerkannt haben, also Italien, Frankreich und Katar. Aber um Waffenlieferungen kümmert sich unser Militärchef, Abdel Fattah Younis. Die sind unabdingbar für den erfolgreichen Widerstand gegen Gaddafi. Younis rechnet in den nächsten Tagen mit einer Stellungnahme der italienischen Regierung.

Zweifeln Sie nicht an der Verlässlichkeit eines Partners, der lange Zeit Gaddafi hofiert hat?

Nein. Wir sind glücklich, dass sich die italienische Regierung auf die Seite des libyschen Volkes und des Übergangsrats steht.

Der italienisch-libysche Freundschaftsvertrag enthält eine Vereinbarung zur Abwehr von Flüchtlingen. Wird der Übergangsrat diese Vereinbarung respektieren?

Ja, wie alle Punkte des Vertrags. Die Regierung Berlusconi kommt uns sehr entgegen, und wir werden Immigranten daran hindern, illegal die italienische Küste zu erreichen.

Der Ölexport ist Ihre Eintrittskarte bei vielen Regierungen. Wann wird die Produktion wiederaufgenommen werden?

In den letzten Wochen haben Gaddafis Truppen einige Förderzentren angegriffen. Wir bemühen uns, die Anlagen unter unserer Kontrolle schnellstmöglich zu reparieren. Eine Million Barrel, die gelagert waren, haben wir schon verkauft. Katar hat sich dazu bereit erklärt, uns beim Verkauf zu helfen.

Wie stehen Sie zu den Aufständen in der arabischen Welt?

Wir führen unseren Kampf für ein anderes Libyen und stehen an der Seite aller arabischen Völker, die sich gegen autoritäre Regierungen zur Wehr setzen.

Auch in Katar, Bahrain oder den anderen Golfstaaten?

Libyen und Syrien sind brutale Diktaturen. In Ägypten, Tunesien und dem Jemen gab es jahrzehntelang nur Scheinwahlen. Katar hingegen unterstützt die Revolutionen und ist selbst demokratisch. Das gilt auch für Bahrain und andere Golfstaaten. Die Situation dort ist ganz anders als in Libyen oder Syrien. Das sollte man nicht auf die gleiche Stufe stellen.

INTERVIEW: MICHELE GIORGIO

Mit freundlicher Genehmigung der Tageszeitung il manifesto. Aus dem Italienischen von Ambros Waibel