Liebhaber der Zeichen

TYPOGRAFIE Eine Ausstellung im Bauhaus-Archiv würdigt den Schriftgestalter Erik Spiekermann, der für seine zweckbetonten Entwürfe bekannt ist

Die Zahl der Deutschen, die keine Schrift von Erik Spiekermann kennen, tendiert gegen null. Die Deutsche Bahn kommuniziert in seinem Layout, für Apple und Adobe entwickelte er eigene Schriften. In Berlin ist er mit dem Erscheinungsbild der BVG gegenwärtig, und wer lieber Fahrrad fährt, kommt nicht am Logo des Landes vorbei: Ein stilisiertes Brandenburger Tor in Rot. Der Würdigung entzieht sich der agile 64-Jährige stets charmant, und auch die aktuelle Ausstellung im Bauhaus-Archiv feiert ihn weniger, als dass sie informiert, ja aufklärt.

Am Anfang war das Wort, und sobald es geschrieben wird, fängt Gestaltung an. Gezeigt wird etwa, wie bei Rundungen die Strichstärken variiert werden oder die Anschlüsse bei den Bögen des B richtig gesetzt sind, um ein harmonisches Bild zu ergeben. Seinen Lieblingsbuchstaben, das kleine a, erklärt Spiekermann so: „Es ist die schönste Figur, weil es sehr menschlich aussieht, nach vorne schreitend nach links blickt.“

Ein solches „libidinöses Verhältnis“ zu Schriftzeichen entwickelte er nicht am Computer oder Zeichenbrett. Spiekermann finanzierte sein Kunstgeschichtsstudium mit Publikationen, die er an der eigenen Druckmaschine produzierte. „Beim Bleisatz geht viel Aufwand in den Zusammenbau der Zwischenräume, die zwar nicht mitgedruckt werden, aber aus demselben Material wie die Buchstaben und Bilder gebaut werden müssen“, schreibt er. „Auch wenn sie unsichtbar bleiben, geben die Zwischenräume dem sichtbar Gedruckten ihren Willen mit.“

Mit dieser Erfahrung zog Spiekermann 1973 nach London, wo er am College of Printing lehrte und Designunternehmen beriet. 1979 gründete er in Berlin mit zwei Partnern MetaDesign, die zu einer der führenden Agenturen für Corporate Design in Europa wurde. Nach dem Ausstieg 2001 entstanden die Erscheinungsbilder des britischen Magazins Economist oder das der Deutschen Bahn, die nahezu allgemeingültig daherkommen. Das Streben nach Normalität, zweckbetont und eindeutig zu sein, ohne viel Aufhebens zu machen, charakterisiert seine Arbeit.

So schnell wie Spiekermann spricht, kann kaum geschrieben werden. Hinter seiner lakonischen Selbstbeschreibung als „Plappermaul“ verbergen sich Fähigkeit und Willen zur Kommunikation. Wie ein Musiker im Alltag vor allem Misstöne zu hören bekommt, nerven Spiekermann schlechte Schriften, die sich nur durchsetzen, weil sie zu einem populären Computerprogramm gehören. Mit seiner Frau hat er bereits 1989 den FontShop gegründet, die inzwischen weltgrößte Datenbank, mit der Schriften zur Verfügung gestellt werden.

Auch Anschaulichkeit hat einen hohen Stellenwert. Der ausgestellte Entwurf für einen Netzplan der BVG in Kreisform gibt das Radialsystem des öffentlichen Verkehrs in Berlin beeindruckend wieder. Diesen Auftrag hatte Spiekermann einst analysiert und die Intention des Auftraggebers klarer herausgearbeitet, als sich dieser selbst bewusst war. Manchmal ärgert er sich, dass solche Leistungen unhonoriert bleiben.

Spiekermanns Förderung seiner Mitarbeiter, von denen viele inzwischen erfolgreiche Agenturen führen, kommt in der Ausstellung leider zu kurz. Der Anlass für die Schau war die Verleihung des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland für sein Lebenswerk. Freilich aus anderem Grund trägt das Bauhaus-Archiv mit dem Ausflug in die Gegenwart seinen Zusatz „Museum für Gestaltung“ zu Recht: Bei der täglichen Menge an Lesestoff auf den Bildschirmen wird Typografie immer wichtiger.

MICHAEL KASISKE

■ „erik spiekermann, schriftgestalten – the face of type“, Bauhaus-Archiv/Museum für Gestaltung, bis 6. Juni, Mi.–Mo. 10–17 Uhr