Dicht an dicht

Mehr kann man nicht geben in einem Augenblick: Die Schau „Der Kontrakt des Fotografen“ im Leverkusener Museum Morsbroich spielt mit Drogen und dem Voyeurismus des Hinsehens

VON HARALD FRICKE

Es gibt Fotosessions, die nur auf Drogen erträglich sind. Dann kommen Bilder heraus, die man derzeit in „Der Kontrakt des Fotografen“ sehen kann. Zum Beispiel die verstrahlten Gesichter, die von Ashkan Sahihi festgehalten wurden. Zuvor hatte der aus Teheran stammende und in New York lebende Fotokünstler ein Dutzend Freiwillige eingeladen, die ein Rauschmittel ihrer Wahl ausprobieren durften und dabei dokumentiert wurden. Tatsächlich kommen die Drogenzustände wie Klischees daher: Auf Ecstasy räkelt sich eine junge Frau sichtbar gut gelaunt, mit Kokain wird der Blick steinern, auf Ketamin geraten die Konturen ins Rutschen und bei Hasch sieht man eben ziemlich stoned aus.

Schon beginnen Zweifel. Erkennt man als Betrachter nur wieder, was man ohnehin bei der Wirkung von Drogen vermutet? Haben Sahihis Probanden vielleicht selbst bloß gespielt, wie sie sich ihren Rausch vorstellen? Auch in der großformatigen Nahaufnahme ist nicht auszumachen, wer authentisch dicht ist – und ob etwas gestellt ist auf den Bildern.

Dieser Punkt war den Ausstellungskuratoren Matthias Flügge und Markus Heinzelmann bei der Auswahl der insgesamt 17 Künstler und Künstlerinnen wichtig: Wie spiegelt sich das Verhältnis zwischen Fotograf und Modell? Übereinkunft, Voyeurismus, Gegenwehr im Spiel mit Blicken – das sind eine Menge Variationen auf ein Thema. Patrick Faigenbaum porträtiert italienische Adelsfamilien, die von seitlichem Fensterlicht dezent ausgeleuchtet wie ferne Gestalten aus einer vergangenen Epoche erscheinen. Umgekehrt wollen die Drag Queens und Stricher auf den Nachtlebenfotos von Peter Hujar ganz Mittelpunkt sein. Der „Boy in plastic pants“, der sein Becken durchs offene Seitenfenster scheinbar einem Kunden im Auto entgegenschiebt, lächelt bei diesem Job rückwärts gewendet dem Fotografen zu. Mehr kann man nicht geben in einem Augenblick.

Auch sonst gilt: Kein Kontrakt ohne Erwartungen. Oft weiß der Fotograf aus Routine, was er von seinem Gegenüber will. Andy Warhol war ein Meister, wenn es darum ging, selbst Personen mit extrem hohem Celebrity-Status noch aussehen zu lassen wie nette Onkels und Tanten von nebenan. Insofern ergänzen sich seine Polaroids der sechziger und siebziger Jahre zu einem wunderbaren Reigen aus lauter Wahlverwandtschaften. Dabei liegt es an der genauen Zusammenstellung und Hängung, dass ein leer stierender Joseph Beuys mit einem vogelhaft grienenden Truman Capote visuell hervorragend kommuniziert. Die Fotos von Marjaana Kella, die Leuten während der Hypnose zugeschaut hat, sind wiederum ein schön dialektischer Kommentar auf den Zwiespalt zwischen innerem Geheimnis und äußerer Erscheinung. Leider wird in der Präsentation als dicht an dicht gehängter Bilderblock aus den vielen Details der Gesten und Mienen ein kurioses Daumenkino.

Andere Fotografen lassen sich von ihren Protagonisten mitreißen. Wenn Boris Michailow für die Serie „Wedding“ zwei betrunkenen Randexistenzen bis in deren Wohnung folgt, dann sind die so entstandenen Fotos nicht zudringlich, sondern verschwommen, als würde die Kamera im Suff mittanzen. Doch diese Unschärfe ist nicht nur ein Kunstgriff. Sie schützt auch die Privatheit der beiden Trinker.

11. März bis 27. Mai 2007 Infos: 0214-855560