Den Smog verschlingen

UMWELT Dachziegel filtern Schadstoffe aus der Stadtluft

Dächer, Straßen und Wände könnten zukünftig die Luft reinigen. In den USA wurden jüngst Dachziegel aus Bestandteilen entwickelt, die Smog buchstäblich in Luft auflösen. Laut dem Hersteller soll eine Dachfläche von rund 185 Quadratmetern ausreichen, um in einem Jahr die Menge an Stickoxiden zu vernichten, die ein Auto nach rund 17.000 Kilometern verursacht hat.

Anderswo wurde die Idee schon früher umgesetzt: In Mexiko-Stadt steht seit 2012 ein Krankenhaus, dessen Fassade den Schadstoffausstoß von bis zu 1.000 Autos täglich „auffrisst“.

Beides funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Die Oberfläche wird mit Titandioxid beschichtet. Unter Sonneneinstrahlung wird eine Reaktion ausgelöst, bei der die gesundheitsschädlichen Stickoxide aufgespalten und in Kalziumnitrat verwandelt werden. Dieses wiederum wird beim nächsten Regen weggespült und funktioniert sogar noch als Dünger.

Eine revolutionäre Lösung für das Problem der Luftverschmutzung, findet Daniel Schwaag, dessen Architekturfirma mit Sitz in Berlin das Haus in Mexiko entworfen hat. Zusammen mit Allison Dring will er mit dem Start-up Elegant Embellishments Ästhetik mit Funktion vereinen. Ihr Konstrukt in Mexiko nennen sie ein luftreinigendes Fassadenornament.

Für Deutschland haben sie noch keine Projekte geplant. Die Anforderungen hierzulande seien komplexer. So schwanke etwa der Anteil der Stickoxide in der Luft, es brauche dazu zunächst genauere Zahlen. „Außerdem sind wir viel mehr auf Regionen mit unmittelbaren Umweltproblemen ausgerichtet“, sagt Schwaag. So sähen sie sich momentan in Malaysia oder im Libanon um.

Doch auch in Deutschland laufen verschiedene Tests. Zum Beispiel wird die Wirkungsweise von Titandioxid auf einer Lärmschutzwand an der Autobahn 4 bei Bergisch Gladbach geprüft. „Dass solche Beschichtungen Schadstoffe neutralisieren, ist längst bewiesen“, sagt Michael Hüben vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie. Untersucht werde nun vor allem, wie sich die Beschichtungen im Langzeitversuch verhalten und wie viele Schadstoffe tatsächlich abgebaut werden können. Ergebnisse sind ab 2015 zu erwarten.

SAMANTA SIEGFRIED